Leitsatz (amtlich)

Will das LG im Verfahren zur Anweisung des Standesbeamten zur Entgegennahme der Eheanmeldung in Abweichung von der tatrichterlichen Würdigung des AG die bisherigen Angaben der Antragsteller und deren Glaubwürdigkeit im Sinne einer Offenkundigkeit der fehlenden Absicht zur Begründung einer ehelichen Lebensgemeinschaft werten, so setzt dies nach § 12 FGG in aller Regel die Verschaffung eines eigenen Eindrucks durch deren persönliche Anhörung voraus.

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 16.01.2004; Aktenzeichen 2/9 T 619/03)

AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 44 UR III KAR 155/03)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Verfahren wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen, das auch darüber zu befinden haben wird, ob eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten stattfindet.

Beschwerdewert: 3.000 Euro.

 

Gründe

Die Antragsteller sprachen am ... 9.2003 bei der Standesbeamtin des - der Stadt - zur Anmeldung der Eheschließung vor. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Antragstellerin zu 1) als Asylbewerberin nur eine räumlich beschränkte Aufenthaltsgestattung für das Stadtgebiet A hatte und sich mit einem ...-ischen Reisepass auswies, den sie bei der zuständigen Ausländerbehörde in A nicht vorgelegt hatte, führte die Standesbeamtin eine getrennte Befragung der beiden Antragsteller durch, die hierbei widersprüchliche Angaben zu Zeitpunkt, Ort und Umständen ihres Kennenlernens machten. Die Standesbeamtin gelangte zu der Überzeugung, dass die Eheschließung nur dazu dienen solle, der Antragstellerin zu 1) einen gültigen Aufenthalt in Deutschland zu verschaffen und lehnte die Mitwirkung ab.

Die Antragsteller beantragten daraufhin am ... 9.2003 beim AG, die Standesbeamtin zur Entgegennahme der Eheanmeldung anzuhalten. Nach persönlicher Anhörung der Antragsteller wies der Amtsrichter das Standesamt mit Beschluss vom 4.11.2003 an, die Eheschließung zwischen den Antragstellern durchzuführen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, es sei nicht erkennbar geworden, dass die Antragsteller die Ehe nur zum Schein schließen wollten.

Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 3) hob das LG mit Beschluss vom 27.1.2004 ohne Durchführung eigener Ermittlungen oder persönlicher Anhörung der Antragsteller den amtsgerichtlichen Beschluss auf und wies den Antrag der Antragsteller zurück. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, aus den divergierenden Angaben der Antragsteller zu den Umständen ihres Kennenlernens, ihrem gewöhnlichen Aufenthalt in weit auseinanderliegenden Standesamtsbezirken und den unzureichenden Kenntnissen der Antragstellerin über die Eltern des Antragstellers habe die Standesbeamtin ohne Rechtsfehler schließen können, dass keine ernstliche Absicht zur Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft gegeben sei.

Hiergegen wenden sich die Antragsteller mit der weiteren Beschwerde, mit der sie insb. geltend machen, sie hätten bereits Monate vor der Eheanmeldung zusammen gelebt, soweit dies aufgrund der räumlichen Beschränkung der Aufenthaltsgestattung der Antragstellerin möglich gewesen sei. Dies habe Ende 2003 zu einer Schwangerschaft der Antragstellerin geführt; im Hinblick auf die Verzögerung der Eheschließung hätten sie sich jedoch zum Abbruch der Schwangerschaft entschlossen, da anderenfalls Probleme seitens der Familie der Antragstellerin zu erwarten gewesen seien. Zwischenzeitlich sei der Asylantrag der Antragstellerin rechtskräftig abgelehnt und diese habe nach B zurückreisen müssen. Der Antragsteller sei inzwischen zum Islam konvertiert und wolle Ende Juni 2004 nach B reisen, um die Antragstellerin zu 1) dort zu heiraten. Hierzu werde ihm jedoch von der Standesbeamtin wiederum die Erteilung der Ehefähigkeitsbescheinigung verweigert.

Die weitere Beschwerde der Antragsteller ist gem. §§ 48 Abs. 1, 49 Abs. 1 S. 2 PStG i.V.m. §§ 27 Abs. 1 S. 1, 29 Abs. 1 S. 1und 2 und Abs. 4 FGG zulässig. In der Sache führt das Rechtsmittel zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LG, da die Ausführungen des LG der rechtlichen Überprüfung nicht standhalten und weitere Ermittlungen erforderlich sind, die der Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht selbst vornehmen kann (§§ 27 FGG, 546, 559 ZPO; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 27 Rz. 58).

Nach den durch das Eheschließungsrechtsgesetz zum 1.7.1998 (BGBl. I, 333) in Kraft getretenen neuen gesetzlichen Regelungen muss der Standesbeamte seine Mitwirkung an der Eheschließung nach § 1310 Abs. 1 S. 2 2. Hs BGB verweigern, wenn offenkundig ist, dass die Ehe nach § 1314 Abs. 2 BGB aufhebbar wäre. Ein Eheaufhebungsgrund liegt nach § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB dann vor, wenn beide Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig waren, dass sie keine Verpflichtung gem. § 1353 Abs. 1 BGB begründen wollen. Hiernach stellt die Absicht der Eheschließenden, keine eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen, ein materiell-rechtliches Ehehindernis dar, das bereits der Mitwirkung des Standesb...

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