Leitsatz (amtlich)
Gemäß § 1632 Abs. 4 BGB kann das FamG nur dann auf Antrag der Pflegeperson anordnen, dass das Kind bei der Pflegeperson verbleibt, wenn und so lange das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet würde. Erforderlich ist eine Abwägung des Kindesinteresses gegenüber dem Elternrecht der leiblichen Eltern. Dagegen ist nicht erforderlich für ein erfolgreiches Herausgabeverlangen, dass es „nur dem Wohl des Kindes dient oder ein triftiger Grund dafür vorliegt”.
Normenkette
BGB § 1632 Abs. 4
Verfahrensgang
AG Wiesbaden (Aktenzeichen 534 F 56/02) |
Tenor
Die befristete Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (§ 131 KostO).
Die Beschwerdeführerin hat die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 13a FGG).
Beschwerdewert: 3.000 Euro (§ 30 Abs. 2 KostO).
Gründe
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte befristete Beschwerde der Antragstellerin, §§ 621e ZPO, 20 FGG, hat in der Sache selbst jedoch keinen Erfolg.
Gemäß § 1632 Abs. 4 BGB kann das FamG nur dann auf Antrag der Pflegeperson anordnen, dass das Kind bei der Pflegeperson verbleibt, wenn und so lange das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet würde. Erforderlich ist eine Abwägung des Kindesinteresses ggü. dem Elternrecht der leiblichen Eltern. Dagegen ist nicht erforderlich für ein erfolgreiches Herausgabeverlangen, dass es „nur dem Wohl des Kindes dient oder ein triftiger Grund dafür vorliegt” (Palandt, Kommentar zum BGB, 61. Aufl., § 1632 Rz. 15 m.w.N.). Der Wunsch der Eltern auf Herausgabe des Kindes darf nur dann versagt werden, wenn durch die Wegnahme von der Pflegeperson das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet würde. Die in § 1632 Abs. 4 BGB maßgebliche Unverantwortlichkeit liegt nur dann vor, wenn die Rückführung des Kindes zum leiblichen Elternteil voraussichtlich zu schweren und nachhaltigen körperlichen und seelischen Schäden und Entwicklungsstörungen führen wird, während es nicht darauf ankommt, ob die Pflegeeltern und ihre Verhältnisse zur Betreuung des Kindes besser geeignet sind (OLG Frankfurt v. 10.1.1983 – 20 W 813/82, FamRZ 1983, 647 f.).
Dass durch die „Wegnahme” von den Pflegeltern eine Gefährdung des Kindeswohls ausgeht, kann auch aufgrund der Ausführungen der Beschwerdeführerin nicht angenommen werden. Das Kind befindet sich tatsächlich – im Einverständnis mit der alleinsorgeberechtigten Mutter – seit Juni 2002 in der Obhut des Kindesvaters. Unerheblich ist – entgegen den Ausführungen der Pflegeeltern – in welchem Umfang der Kindesvater den Großeltern väterlicherseits die tatsächliche Betreuung überlässt.
Es wird dabei nicht angezweifelt, dass die Pflegeeltern den mittlerweile dreijährigen X. ordnungsgemäß und liebevoll betreut haben.
Eine Verbleibensanordnung gem. § 1632 Abs. 4 BGB kommt jedoch deshalb nicht in Betracht, da das Kindeswohl durch die Herausnahme aus der Pflegefamilie nicht gefährdet ist.
Nach den Bekundungen des Jugendamtes – Bericht vom 20.3.2002 – sollte A. endgültig ab 15.5.2002 in der Obhut des Kindesvaters wohnen. Auch hat das Jugendamt mehrfach betont, dass von Beginn der Inpflegenahme an klar gewesen sei, dass das Kind nur vorübergehend bei den Pflegeeltern untergebracht werden sollte. Gegen die Annahme einer Gefährdung des Kindeswohls spricht auch, dass der Kindesvater in der Vergangenheit regelmäßige Umgangskontakte ausgeübt hat. Aufgrund des Berichtes des Jugendamtes der Stadt M. vom 6.8.2002, der Bezug nimmt auf die Stellungnahme der Kreisverwaltung Mainz-Bingen vom 9.7.2002, kann davon ausgegangen werden, dass zwischen dem Kindesvater und dem minderjährigen Kind sowie den Großeltern des Kindes eine emotionale Bindung besteht und die Versorgung und Betreuung des Kindes gewährleistet ist.
Der Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens – wie von der Verfahrenspflegerin und den Pflegeeltern angeregt – bedarf es unter den gegebenen Umständen nicht, da keinesfalls davon ausgegangen werden kann, dass die Rückführung in den Haushalt des Kindesvaters unverantwortlich ist, insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, was Voraussetzung für eine Verbleibensanordnung wäre, dass die Rückführung des Kindes zu schweren und nachhaltigen körperlichen und seelischen Schäden und Entwicklungsstörungen führen wird.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin, dass die Kindesmutter mit der Erziehung des Kindes überfordert ist und deshalb das Kind im Alter von 4 1/2 Monaten den Pflegeeltern zur Betreuung übergeben hat. Die Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter ist nämlich hier unerheblich, da sie das Kind – in Kenntnis der Tatsache, dass sie zur Pflege und Betreuung des Kindes, jedenfalls derzeit nicht in der Lage ist – mit Zustimmung des Jugendamtes in die Obhut und Pflege des Kindesvaters gegeben hat.
Zeibig-Düngen
Fundstellen
Haufe-Index 1105225 |
OLGR Frankfurt 2003, 44 |