Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestellung eines Mitvormunds für Betreuung eines Jugendlichen in asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten
Normenkette
EUV 604/2013 Art. 6 Abs. 2; BGB §§ 1775, 1795, 1909; FamFG § 59 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Fürth (Odenwald) (Beschluss vom 13.10.2014; Aktenzeichen 4 F 173/14 SO) |
Tenor
1. Der angefochtene Beschluss wird abgeändert, soweit der "Antrag" auf Bestellung eines Ergänzungspflegers für den Betroffenen zurückgewiesen wurde.
Als Mitvormund für den Wirkungskreis der asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten wird - insoweit anstelle des Jugendamtes des Kreises ... - nunmehr Rechtsanwalt A,... straße, Stadt1, bestellt.
Dieser übt sein Amt berufsmäßig aus.
2. Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Beschwerdewert: 3.000,00 EUR
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der betroffene Minderjährige reiste am ... 2014 mit einem Schleuser von Land1 über Land2, den ..., Land3 und Land4 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nachdem er zunächst bei seinem Großonkel unterkam, wurde er am 22.4.2014 vom Jugendamt des Kreises ... in Obhut genommen und lebt seither im Kinder- und Jugendheim ... Der Minderjährige begehrt in Deutschland Asyl, weiß allerdings nicht, ob ein Antrag für ihn schon gestellt worden ist.
Das Jugendamt wandte sich am 22.4.2014 mit einem mit "Anrufung des Gerichts im Sinne des § 8a (2) SGB VIII und § 49 FamFG (Eilverfahren) wegen
- Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge
- Regelung der Personensorge
- Bestellung eines Rechtsanwaltes/einer Rechtsanwältin als Ergänzungspfleger/in für das Asylverfahren/ausländerrechtliche Vertretung"
überschriebenen Antrag an das Amtsgericht, in dem es zur tatsächlichen Situation des betroffenen Minderjährigen vortrug und seine rechtliche Auffassung zur Begründung der Bestellung eines Ergänzungspflegers für die ausländerrechtliche Vertretung der betroffenen Minderjährigen darlegte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Antragsschrift vom 22.4.2014 (Bl. 1 ff.) Bezug genommen.
Nachdem das Amtsgericht beim Jugendamt noch einmal nachfragte, ob der Großonkel als Vormund in Frage kommt, und dies nach dessen Befragung durch das Jugendamt verneint wurde, erließ das Amtsgericht am 9.5.2014 einen Beschluss, mit dem das Ruhen der elterlichen Sorge für den Betroffenen festgestellt und die elterliche Sorge auf den Kreisausschuss des Kreises ..., Jugendamt, als Vormund übertragen wurde. In den Beschlussgründen wurde die Bestellung eines Rechtsanwalts zum Ergänzungspfleger unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH, aber auch die Bestellung eines Mitvormundes unter Hinweis auf eine Entscheidung des 5. Senats für Familiensachen des OLG Frankfurt am Main abgelehnt. Auf die damalige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Ablehnung der Bestellung eines Ergänzungspflegers für die Vertretung des Betroffenen in asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten hob der Senat die Entscheidung auf, weil der Betroffene nicht beteiligt worden war. Nach nunmehr persönlicher Anhörung des Betroffenen, wegen deren Ergebnis auf das Protokoll vom 19.9.2014 Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht die Bestellung eines Ergänzungspflegers und ausweislich der Beschlussgründe eines Mitvormundes erneut abgelehnt. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beschwerdeführers.
Zur Begründung seiner Beschwerde führt er an, für den Amtsvormund bestehe zwar eine theoretische Möglichkeit, die rechtliche Beratung und Vertretung des minderjährigen Ausländers auch in diesen Angelegenheiten zu übernehmen. Das Ausländer- und Asylverfahrensrecht stelle sich jedoch als eine so schwierige und komplexe Materie dar, dass die Vormundschaft insoweit nicht von einem Mitarbeiter des Jugendamts als Nichtjuristen sachgerecht ausgeübt werden könne. Zudem verstoße der angefochtene Beschluss sowie auch die Auffassung des BGH, auf die sich der angefochtene Beschluss stütze, gegen europarechtliche Vorgaben, insbesondere die Richtlinie 2013/32/EU vom 26.6.2013 sowie die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (so genannte Dublin-III-VO), die am selben Tag verabschiedet wurde. Wegen des weiteren Beschwerdevorbringens wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Beschwerdebegründung Bezug genommen.
Ergänzend hat das Jugendamt auf Nachfrage des Senats noch mitgeteilt, dass grundsätzlich die Clearingstellen in Gießen und Frankfurt diese Angelegenheiten regelten und entsprechend spezialisierte Rechtsanwälte für die jeweiligen Herkunftsländer als Ergänzungspfleger bzw. Mitvormund bestellt würden. Lediglich bei sog. Selbstmeldern im Landkreis sei vom Jugendamt des Kreises ... ein entsprechender Antrag beim zuständigen Amtsgericht gestellt worden. Fortbildungen hätten hier in der Region bisher nicht stattgefunden, zumal das Rechtsgebiet bislang von Volljuristen aus dem Bereich Gießen und Frankfurt abgedeckt wurde. Die vielfältigen Spezialisierungen könnten von einem Vormund nicht geleistet werden und die sicherzustellenden länderspez...