Leitsatz (amtlich)
Zum Vorliegen einer wettbewerblichen Eigenart (hier: WC-Spüler)
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 20.12.2018; Aktenzeichen 2-6 O 467/18) |
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 1.000.000,- EUR
Gründe
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Es fehlt allerdings nicht am Verfügungsgrund der Dringlichkeit. Die Antragstellerin hat durch eidesstattliche Versicherung der Leiterin des A, X, glaubhaft gemacht, am 5. Oktober 2018 Kenntnis von den angegriffenen Produkten erlangt zu haben, und zwar im Onlineshop der Antragsgegnerin zu 1). Sie habe diese Produkte umgehend im Onlineshop bestellt, welche kurz darauf an sie geliefert worden seien. Am 29. Oktober hat die Antragstellerin zwei Verkehrsbefragungen über die Verwechslungsgefahr ausgehend von dem angegriffenen Toiletten-Duftspüler in Bezug auf den von der Antragstellerin vertriebenen "B" Toiletten-Duftspüler in Auftrag gegeben. Das Ergebnis der Untersuchung der C SE wurde ihr am 19. November 2018 übermittelt. Der Eilantrag ging am 30. November 2018 bei Gericht ein. Hieraus kann ein dringlichkeitsschädliches Zuwarten der Antragstellerin nicht abgeleitet werden. Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass die Antragstellerin die Verkehrsbefragungen beauftragt hat. Ungeachtet der Frage, welches Gewicht den Verkehrsbefragungen bei der Subsumtion des § 4 Nr. 3 a, b UWG letztlich zukommt, durfte die Antragstellerin davon ausgehen, dass die Verkehrsbefragungen ihre Argumentation zu stützen vermögen. Es ist auch keine reine Rechtsfrage, ob ein Fall der Herkunftstäuschung vorliegt. Entscheidend ist das Verständnis der angemessen gut informierten und angemessen aufmerksamen und kritischen bzw. verständigen durchschnittlichen Abnehmer (§ 3 Abs. 4 UWG). Der Umstand, dass die Mitglieder des erkennenden Gerichts dann, wenn sie zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören, deren Verständnis beurteilen können, ändert nichts an diesem Maßstab. Auch wenn die Ermittlung der Sichtweise eines durchschnittlichen Mitglieds des angesprochenen Verkehrskreises normative Wertungen enthält, handelt es sich bei der Beurteilung, ob eine Herkunftstäuschung vorliegt, nicht um eine reine Rechtsfrage.
Es fehlt jedoch an einem Verfügungsanspruch. Das begehrte Verbot lässt sich weder auf ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz noch auf die Gefahr einer Irreführung stützen.
Ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 3, 4 Nr. 3a, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG besteht nicht.
Allerdings kann dem Produkt der Antragstellerin eine wettbewerbliche Eigenart nicht abgesprochen werden.
Wettbewerbliche Eigenart liegt vor, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. Die wettbewerbliche Eigenart hängt vom Gesamteindruck des Erzeugnisses ab. Bei dem von der Antragstellerin vertriebenen Erzeugnis handelt es sich um einen WC-Spüler, bei dem sich an einer Aufhängung eine durchsichtige Halterung befindet, die vier horizontal angeordnete Kugeln beinhaltet, deren Substanz beim Spülen des WCs nach und nach in das WC abgegeben wird. Die Kugeln sind bei dem Produkt der Antragstellerin stets in zwei Farben gehalten, wobei die Farben und die Anordnung unterschiedlich sind. Der durchsichtige Behälter weist Löcher auf, damit die Substanz der Kugeln in das Wasser abgegeben werden kann. Bei der Aufhängung handelt es sich um eine bewegliche Klammer, die über den Toilettenrand gespannt wird.
Zu berücksichtigen ist bei der wettbewerblichen Eigenart auch die Verpackung, in welcher das Produkt angeboten wird. Diese besteht aus einer durchsichtigen Vorderseite, durch welche das Produkt sichtbar ist. Darunter befindet sich ein mit einer Folie überzogener Karton, der u. a. die Aufschrift "B" trägt. Die Gesamtschau dieser Umstände macht die wettbewerbliche Eigenart aus, wobei die horizontale Anordnung von vier Kugeln ein Gestaltungsmerkmal ist, welches zur Bildung der wettbewerblichen Eigenart beiträgt, diese jedoch nicht allein begründet.
Das Produkt der Antragstellerin ist im Jahr 2010 in den Markt eingeführt worden und verfügte im Jahr 2018 (bis September) über einen Marktanteil von 52,7%. Daraus ist zu schlussfolgern, dass der Grad der wettbewerblichen Eigenart sich seit 2010 erhöht hat.
Das angegriffene Produkt weist Parallelen, aber auch eine Reihe von Unterschieden zu dem Erzeugnis der Antragstellerin auf. Zunächst verwenden die Antragsgegnerinnen keine Kugeln, sondern Einheiten in einer sechseckigen, zylindrischen Form. Die vier Einheiten weisen jeweils dieselbe Farbe auf. Da sie sich ebenfalls in einer durchsichtigen Umhüllung befinden, ist dieser Unterschied für den Verbraucher sofort sichtbar. Die Aufhängung des Produkts ist ebenfalls anders gestaltet als bei dem Produkt der Antragstellerin. Sie ist so konzipiert, dass das Produkt zwischen Toilettenschüssel und Toilettenrand eingekl...