Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozessvergleich mit Vertragsstraferegelung; Zwangsvollstreckung aus einer in einen gerichtlichen Vergleich aufgenommenen strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung
Leitsatz (amtlich)
Hat sich der Beklagte in einem gerichtlichen Vergleich zur Unterlassung und für den Fall der Zuwiderhandlung zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet, kann der Kläger aus diesem Vergleich in der Regel nicht die Zwangsvollstreckung nach § 890 ZPO betreiben, insbesondere keinen Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln nach § 890 II ZPO stellen.
Normenkette
ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 1, § 890 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Beschluss vom 19.03.2013; Aktenzeichen 14 O 664/04) |
BGH (Aktenzeichen I ZB 57/13) |
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 2.000 EUR
Gründe
I. Die Parteien haben im einstweiligen Verfügungsverfahren am 30.11.2004 einen Vergleich geschlossen, wonach sich die Antragsgegner verpflichteten,
"wörtlich oder sinngemäß im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken folgende Behauptungen zu unterlassen:
a) Kunden der Verfügungsbeklagten zu 1 sind von Mitarbeitern der Verfügungsklägerin mit dem Ziel angesprochen worden, sie zur sofortigen fristlosen Kündigung der mit der Verfügungsbeklagten zu 1 geschlossenen Verträge und zu einem Wechsel zur Verfügungsklägerin zu bewegen;"...
Nach Ziff. 2. des Vergleichs verpflichteten sich die Antragsgegner, für jeden Fall des Verstoßes gegen die Unterlassungsverpflichtung einen Betrag von EUR 5.000 an die Antragstellerin zu zahlen.
Die Antragsgegnerin zu 1 verschickte am 31.7.2012 ein Rundschreiben, in dem es heißt, einige ihrer Bestandskunden seien von einem inzwischen für die Antragstellerin tätigen Mitarbeiter mit dem Ziel kontaktiert worden, sie zur Kündigung der mit der Schuldnerin geschlossenen Verträge und zu einem Wechsel zu bewegen.
Die Antragstellerin hat beantragt, den Antragsgegnern für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen das in Ziff. 1. a) des Vergleichs gegebene Unterlassungsversprechen ein Ordnungsgeld bis zu EUR 250.000, ersatzweise Ordnungshaft, anzudrohen.
Die Antragsgegner haben beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Das LG hat den Antrag mit Beschluss vom 19.3.2013 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, der das LG mit Beschluss vom 17.5.2013 nicht abgeholfen hat.
II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das LG hat den Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln nach § 890 II ZPO mit Recht zurückgewiesen. Der Vergleich kann nicht nach § 890 ZPO vollstreckt werden, weil die Parteien mit der Vertragsstrafe eine abweichende Regelung vereinbart haben.
Grundsätzlich kann eine Unterlassungsverpflichtung aus einem Prozessvergleich, der nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Vollstreckungstitel ist, gem. § 890 ZPO vollstreckt werden (vgl. BGH, Beschl. v. 2.2.2012 - I ZB 95/10, GRUR 2012, 957 - Vergleichsbeschluss im schriftlichen Verfahren; OLG Frankfurt NJW-RR 2006, 1441). Es ist auch geklärt, dass beim Nebeneinanderbestehen von gerichtlichem Titel (einstweiliger Verfügung) und strafbewehrter Unterlassungserklärung der Gläubiger das Ordnungsmittelverfahren neben der Beitreibung der Vertragsstrafe betreiben kann (BGH GRUR 2010, 355 Rz. 32 - Testfundstelle; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., Kap. 20 Rz. 22). Es stellt sich die Frage, ob etwas anderes gilt, wenn sich der Schuldner in einem Prozessvergleich für den Fall der Zuwiderhandlung zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet hat, der Titel also bereits selbst die Sanktionierung regelt.
Nach einer in Teilen der Rechtsprechung und Literatur vertretenen Meinung hat der Gläubiger auch in einem solchen Fall bei einem späteren Verstoß die Wahl, ob er die Zwangsvollstreckung betreibt oder die Vertragsstrafe geltend macht (OLG Stuttgart WRP 2012, 500 Rz. 23 - bei juris; Köhler in Köhler/Bornkamm, 31. Aufl., § 12 Rz. 2.128; Jestaedt in GroßKomm-UWG, Vor § 13 E. Rz. 78). Zu dieser Ansicht neigt auch der 3. Zivilsenat des BGH (vgl. BGH, Urt. v. 5.2.1998 - III ZR 103/97, GRUR 1998, 1053). Lediglich bei der Höhe sei die jeweils früher verhängte Sanktion zu berücksichtigen bzw. anzurechnen (vgl. BGH, Urt. v. 5.2.1998 - III ZR 103/97, GRUR 1998, 1053; für den Fall des Nebeneinanderbestehens von einstweiliger Verfügung und strafbewehrter Unterlassungserklärung: BGH GRUR 2010, 355 Rz. 32 - Testfundstelle). Der Gefahr einer doppelten Sanktionierung könne der Schuldner dadurch entgehen, dass er entweder keine Vertragsstrafe verspreche oder auf einem ausdrücklichen Verzicht des Gläubigers auf einen Antrag nach § 890 Abs. 2 ZPO bestehe.
Nach anderer Ansicht kann die Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel gem. § 890 II ZPO mangels Rechtsschutzbedürfnisses jedenfalls dann unzulässig sein, wenn nicht neuerliche Umstände die Gefahr künftiger Zuwiderhandlung gegen den Prozessvergleich begründen (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.12.2001 - 6 W 101/01). De...