Leitsatz (amtlich)

Der Verfügungsgrund in einer wettbewerbsrechtlichen Eilsache ist widerlegt, wenn der Antragsteller mehrere Wettbewerbsverstöße innerhalb einer Zeitungsanzeige isoliert angreift, nachdem er unmittelbar zuvor die Gesamtanzeige im Sinne der BGH-Entscheidung TCM-Zentrum zum Gegenstand eines Eilantrags gemacht und diesen mit den Wettbewerbsverstößen innerhalb der Anzeige begründet hat.

 

Normenkette

UWG § 12 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-26 O 333/05)

 

Gründe

I. Die Antragstellerin hat in einem vorausgegangenen Eilverfahren (2/6 O 313/05 - LG Frankfurt) beantragt, der Antragsgegnerin die Werbung mit mehreren im Internet verbreiteten Textseiten in ihrer Gesamtheit zu verbieten. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, die Textseiten enthielten sieben wettbewerbswidrige Aussagen. Das LG hat die einstweilige Verfügung mit Beschluss vom 14.7.2005 antragsgemäß erlassen und darauf hingewiesen, dass es lediglich die unter 3.7 der Antragsbegründung beanstandete Äußerung zum Anlass genommen habe, die gesamte Werbung zu verbieten.

Mit dem vorliegenden, am 21.7.2005 eingereichten Eilbegehren beantragt die Antragstellerin, der Antragsgegnerin die Werbung mit den übrigen sechs Aussagen zu untersagen; im Unterlassungsantrag sind die einzelnen Aussagen unter 1.-6. jeweils mit der Verknüpfung "und/oder" aufgeführt.

Das LG hat den Eilantrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Aufspaltung der Rechtsverfolgung wegen ein und derselben Verletzungshandlung in mehrere Verfügungsanträge sei wegen der damit verbundenen zusätzlichen Kostenbelastung für den Prozessgegner rechtsmissbräuchlich. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde.

II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Es kann dahinstehen, ob - wie das LG angenommen hat - die Geltendmachung der mit dem vorliegenden Eilantrag geltend gemachten Unterlassungsansprüche als rechtsmissbräuchlich bezeichnet werden kann. Jedenfalls führen die vom LG angestellten zutreffenden Erwägungen dazu, den Verfügungsgrund, d.h. die Befugnis der Antragstellerin, diese Ansprüche im Wege einstweiligen Rechtsschutzes zu verfolgen, zu verneinen.

Der im Wettbewerbsrecht zu vermutende (§ 12 Abs. 2 UWG) Verfügungsgrund stellt der Sache nach eine besondere Form des Rechtsschutzbedürfnisses für ein Vorgehen gerade im summarischen Eilverfahren dar (vgl. allgemein hierzu Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Rz. 15 zu Kap. 54; Senat OLGReport 2001, 179 - Wiederholter Eilantrag vor anderem Gericht). Die Vermutung des Verfügungsgrundes kann in der Regel nur dadurch widerlegt werden, dass - was hier nicht in Rede steht - der Antragsteller in Kenntnis der Verletzungshandlung mit der Geltendmachung seiner Ansprüche längere Zeit zugewartet und damit zu erkennen gegeben hat, dass ihm die Sache so eilig nicht ist. Auf diesen - in der Praxis bedeutsamsten - Aspekt ist die Widerlegung der Vermutung des § 12 Abs. 2 UWG jedoch nicht beschränkt. Das vom Gesetz grundsätzlich anerkannte Interesse des Gläubigers eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs an der sofortigen Unterbindung des beanstandeten Verhaltens muss vielmehr auch dann zurücktreten, wenn aus anderen Gründen, insb. wegen des prozessualen Verhaltens des Antragstellers und wegen der schutzwürdigen Belange des Antragsgegners, ein Bedürfnis für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ausnahmsweise nicht anerkannt werden kann. Diese Voraussetzungen sind hier auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalls erfüllt.

Das mit dem Eilantrag im ersten Verfahren geltend gemachte Unterlassungsbegehren und das im vorliegenden Eilverfahren geltend gemachte Unterlassungsbegehren sind auf den gleichen Lebenssachverhalt, nämlich die von der Antragsgegnerin auf ihrer Homepage veröffentlichte Stellungnahme zu den zwischen den Parteien anhängigen Rechtsstreitigkeiten, gestützt. Gleichwohl werden in beiden Verfahren unterschiedliche Verbotsziele verfolgt.

Gegenstand des Unterlassungsantrages im ersten Eilverfahren sind die beanstandeten Seiten auf der Homepage der Antragsgegnerin in ihrer Gesamtheit.

Da in der Antragsbegründung sieben auf diesen Seiten enthaltene Aussagen als wettbewerbswidrig beanstandet worden sind, könnte die Wettbewerbswidrigkeit jeder dieser Aussagen ein Verbot der mit dem Unterlassungsantrag angegriffenen Gesamtwerbung rechtfertigen. Das beantragte Verbot konnte daher erlassen werden, wenn sich auch nur eine der sieben Aussagen als wettbewerbswidrig erwies. Da die Antragstellerin auch nicht zu erkennen gegeben hat, dass die sieben Einzelaussagen etwa in einer bestimmten Reihenfolge zur Begründung des beantragten Verbots der Gesamtwerbung herangezogen werden sollten, stand es dem LG nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. WRP 2001, 400 - TCM-Zentrum; vgl. auch Senat GRUR-RR 2005, 128) frei, auf welche dieser Aussagen es das Verbot der Gesamtwerbung stützen wollte. In seiner im ersten Verfahren erlassenen Beschlussverfügung vom 14.7.200...

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