Normenkette
FamFG § 59; GG Art. 6 Abs. 1; BGB § 1915 Abs. 1 S. 1, § 1779 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
AG Alsfeld (Beschluss vom 16.05.2012) |
Tenor
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren festgesetzt auf 3.000 EUR.
Gründe
I. Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine Tante mütterlicherseits des betroffenen Kindes, dessen Eltern durch Beschluss des AG vom 9.12.2010 die elterliche Sorge in den Bereichen Aufenthaltsbestimmung und Antragstellung nach dem SGB VIII entzogen und auf das Jugendamt des V.-Kreises als Ergänzungspfleger übertragen worden war. Das Kind hatte zuvor bei den Großeltern mütterlicherseits in H. in Niederbayern gelebt und lebt mittlerweile in einer Einrichtung der Jugendhilfe im hessischen F. Besuchskontakte der Eltern erfolgen sporadisch. Die Mutter des Kindes ist inzwischen unter der Anschrift der Beschwerdeführerin gemeldet, wohnt dort nach deren Angaben aber nicht. Zwischen der Beschwerdeführerin und dem Kind gibt es telefonische Kontakte.
Mit Schreiben vom 9.1.2012 beantragte die Beschwerdeführerin die Übernahme der Pflegschaft. Nach Einholung einer schriftlichen Stellungnahme des zuständigen Jugendamts wies die Rechtspflegerin des Amtgerichts den Antrag mit dem angefochtenen Beschluss vom 16.5.2012 zurück und verwies in der Rechtsbehelfsbelehrung auf die Möglichkeit der Beschwerdeeinlegung.
Gegen den am 23.5.2012 zur Post gegebenen Beschluss richtet sich die am 21.6.2012 beim AG eingegangene Beschwerde, mit welcher die Beschwerdeführerin ihr Begehren weiter verfolgt. Für die Durchführung der Beschwerde beantragt sie die Bewilligung von Vefahrenskostenhilfe. Die Rechtspflegerin des AG hat mit Beschluss vom 24.7.2012 entschieden, der Beschwerde nicht abzuhelfen, und hat sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Die Beschwerdeführerin ist von der Vorsitzenden des Senats auf Bedenken gegen ihre Beschwerdeberechtigung hingewiesen worden. Sie hält an ihrer Beschwerde fest und trägt vor, ihr Antrag vom 9.12.2012 sei vom AG als solcher aufgefasst und beschieden worden, weshalb sie als Antragstellerin auch beschwerdeberechtigt sei. Zutreffend habe auch die Rechtsbehelfsbelehrung auf das Rechtsmittel der Beschwerde verwiesen. Andernfalls könnte die Entscheidung nur vom betroffenen Kind angefochten werden, das aber durch das Jugendamt als Ergänzungspfleger vertreten werde, das an seiner Entlassung kein Interesse habe.
II. Die Beschwerde, für die eine Abhilfeprüfung des AG kraft Gesetzes ausgeschlossen ist (§ 68 Abs. 1 Satz 2 FamFG), ist unzulässig und daher zu verwerfen (§ 68 Abs. 2 FamFG).
Es fehlt der Beschwerdeführerin an der für die Zulässigkeit ihrer Beschwerde erforderlichen Beschwerdeberechtigung. Beschwerdeberechtigt ist, wer durch die angefochtene Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist (§ 59 Abs. 1 FamFG).
Ein die Beschwerdeberechtigung begründendes subjektives Recht der Beschwerdeführerin, welches durch die Ablehnung der Übertragung der Pflegschaft auf sie beeinträchtigt wird, ist hier nicht ersichtlich, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob es sich nicht bereits bei dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Bestellung als Ergänzungspflegerin um eine Beschwerde gegen die vom AG im Beschluss vom 9.12.2010 getroffene Pflegerauswahl handelt (vgl. insoweit Wagenitz in Münchener Komnmentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 1779 Rz. 24).
Ein subjektives Recht der Beschwerdeführerin auf Berücksichtigung bei der Pflegerauswahl folgt nicht aus Art. 6 Abs. 1 GG, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Familie im Sinne der genannten Vorschrift ist nämlich nur die Gemeinschaft zwischen Eltern und Kindern (vgl. BVerfGE 59, 52, 63 = NVwZ 1982, 187; BVerfGE 80, 81, 90 = NJW 1989, 2195); ein weiter gehender Familienbegriff wird hingegen in weiten Teilen der Literatur vertreten, vgl. Uhle in BeckOK, GG, Stand 1.7.2012, Art. 6, Rz. 14 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Die Begrenzung des Schutzbereichs des Art. 6 Abs. 1 GG auf die Gemeinschaft zwischen Eltern und Kindern hindert den Gesetzgeber allerdings nicht, den Familienbegriff in anderen Zusammenhängen zu erweitern und daraus Folgerungen herzuleiten (vgl. BVerfGE 59, 62, 63 = NVwZ 1982, 187). Ein subjektives auf eine ermessensfehlerfreie Pflegerauswahl gerichtetes Recht der bei der Auswahl zugunsten eines familienfremden Dritten übergangenen Verwandten könnte sich daher - unabhängig von dem Art. 6 Abs. 1 GG zugrunde liegenden Familienbegriff - aus §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1779 Abs. 2 Satz 2 BGB ergeben, wonach bei der Auswahl des Pflegers u.a. der mutmaßliche Wille der Eltern und die Verwandtschaft des betroffenen Kindes zu berücksichtigen sind (so Wagenitz in MünchKomm/BGB, § 1779 Rz. 11 und 22; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 2010, § 70 Rz. 42).
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