Verfahrensgang

AG Kassel (Beschluss vom 20.08.2013; Aktenzeichen 512 F 1705/13-SO)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Kassel vom 20.8.2013 wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Aufwendungen der Beteiligten werden nicht erstattet.

Der Beschwerdewert wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der am 1.7.1996 geborene betroffene Jugendliche ist gambischer Staatsangehöriger und reiste im Juni 2013 in der Bundesrepublik Deutschland ein. Er gab an, dass seine Mutter in Gambia getötet worden sei. Der Aufenthalt seines in Gambia zurückgebliebenen Vaters sei ihm unbekannt. Er sei mit einem Containerschiff von Gambia nach Spanien gelangt und von dort von einem Lkw-Fahrer mit nach Kassel genommen worden. Der Jugendliche wurde vom Jugendamt der Stadt Kassel in Obhut genommen und im Schutzhof Calden untergebracht. Auf Antrag des Jugendamts der Stadt Kassel stellte das AG das Ruhen der elterlichen Sorge des Kindesvaters fest und übertrug mit dem angefochtenen Beschluss das Recht der elterlichen Sorge für den Jugendlichen auf das Jugendamt der Stadt Kassel als Vormund. Der Antrag des Jugendamts, zusätzlich für aufenthaltsrechtliche und asylrechtliche Angelegenheiten einen Ergänzungspfleger zu bestellen, hat das AG zurückgewiesen.

Das Jugendamt der Stadt Kassel wendet sich mit der am 19.9.2013 beim AG eingegangenen Beschwerde gegen den am 22.8.2013 zugestellten Beschluss, soweit die Bestellung eines Ergänzungspflegers abgelehnt wurde.

Das Jugendamt ist der Auffassung, dass durch das In-Kraft-Treten der EU-Richtlinien vom 26.6.2013 Nr. 2013/32 (hier Art. 25) und der Aufnahmerichtlinie Nr. 2013/33 (hier Art. 24) sich die Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers für aufenthalts- und asylrechtliche Angelegenheiten bei unbegleiteten Minderjährigen ergebe, da ansonsten die Rechte dieser Minderjährigen entsprechend der Richtlinien nicht hinreichend wahrgenommen werden könnten. Obwohl die nationalen Durchführungsbestimmungen für diese Richtlinien noch nicht erlassen seien, müssten die entsprechenden Inhalte der Normen bei der Anwendung des nationalen Rechts berücksichtigt werden. Eine richtlinienkonforme Auslegung der maßgeblichen Vorschrift des § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB müsse demgemäß sicherstellen, dass dem jungen Menschen ein aufenthalts- bzw. asylrechtliches Verfahren gewährleistet werde, welches in allen Verfahrensstufen das Kindeswohl vorrangig berücksichtige und dem jungen Menschen insbesondere eine sachkundige Vertretung zur Seite stelle. Im Bereich des Asyl- und Ausländerrechts könnten die Vormünder des Jugendamts der Stadt Kassel die qualifizierte Vertretung eines minderjährigen Flüchtlings nicht sicherstellen, da ihnen insoweit das notwendige Fachwissen fehle. Die Vielfalt und Komplexität der Rechtsvorschriften sowie des rechtlich komplizierten Sachverhalts erfordere eine spezifische fachliche Kenntnis, die die Bestellung eines sachkundigen Ergänzungspflegers für diese Bereiche notwendig mache.

Der Senat hat mit Beschluss vom 2.10.2013 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass davon abgesehen werden soll, eine erneute mündliche Anhörung im Beschwerdeverfahren durchzuführen, da hiervon keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind (§ 68 Abs. 3 FamFG).

Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 31.10.2013.

II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die von Amts wegen zu prüfen und zu beachten ist, folgt im vorliegenden Fall gem. § 97 FamFG jedenfalls aus Art. 13 der EG-VO Nr. 2201/2003 vom 27.11.2003, da ungeachtet des gewöhnlichen Aufenthalts des Minderjährigen dieser sich jedenfalls im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland befindet.

Materiell ist gem. Art. 15 Abs. 1 KSÜ vom 19.10.1996 deutsches Recht anwendbar, da die Zuständigkeit der deutschen Gerichte begründet ist.

Die zulässige Beschwerde der Beteiligten ist in der Sache jedoch unbegründet, da die Voraussetzungen des § 1909 Abs. 1 BGB für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft nicht vorliegen.

Bei bestehender Vormundschaft kommt eine Ergänzungspflegschaft nur dann in Betracht, wenn der Vormund von der Vertretung seines Mündels kraft Gesetzes ausgeschlossen ist (§ 1795 BGB) oder durch eine familiengerichtliche Entscheidung in seiner Vertretungsmacht beschränkt wurde. Wie der BGH in seinen Entscheidungen vom 29.5.2013 (XII ZB 530/11) FamRZ 2013, 1206 und (XII ZB 124/12) JA 2013, 426) ausführlich dargelegt hat, sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestellung eines Ergänzungspflegers in Fällen wie dem hier vorliegenden nicht gegeben. Insbesondere kann aus dem Umstand, dass der Vormund nicht über die zur ordnungsgemäßen Besorgung einzelner Geschäfte erforderliche Sachkunde verfügt, nicht die Notwendigkeit der Bestellung eines Ergänzungspflegers hergeleitet werden. Der Vormund ist in derartigen Fällen gehalten, durch die Inanspruchnahme fachlicher Hilfe fehlende ...

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