Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verwirkung bei Widerruf erst fünf Jahre nach Darlehensvertrag
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Beschluss vom 16.02.2016; Aktenzeichen 1 O 102/15) |
Tenor
Es wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Wiesbaden vom 16.2.2016 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 13.9.2016.
Gründe
I. Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), der keiner Ergänzungen oder Änderungen bedarf.
Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die dem Kläger erteilte Widerrufsbelehrung entspreche nicht §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 2 BGB a.F., denn die Formulierung "soweit Sie nicht taggleich mit dem Vertragsabschluss über Ihr Widerrufsrecht belehrt worden sind, beträgt die Frist einen Monat" entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben, da eine Belehrung zeitlich nach Vertragsschluss, aber am gleichen Tag des Vertragsschlusses, nach dem Wortlaut der Belehrung der Beklagten die Monatsfrist nicht in Gang setzte. Ob die fehlerhafte Belehrung kausal für den zunächst unterbliebenen Widerruf gewesen sei, sei unerheblich. Auch sei das Widerrufsrecht durch den Abschluss der Aufhebungsverträge im Jahre 2010 nicht gegenstandslos geworden. Es sei auch nicht unter dem Aspekt der Verwirkung entfallen. Die Beklagte könne sich vorliegend auf ein schutzwürdiges Vertrauen schon deshalb nicht berufen, weil sie dem Kläger keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt habe. Es sei dem Kläger unbenommen, seine Verbraucherschutzrechte in Anspruch zu nehmen, ganz gleich welche Beweggründe ihn dazu veranlassten. Damit sei die Vorfälligkeitsentschädigung rechtsgrundlos geleistet und deshalb zurück zu erstatten. Der Anspruch sei nicht verjährt, da der Anspruch auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung erst mit Erklärung des Widerspruchs im Jahr 2015 entstanden sei.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Zur Begründung führt sie aus, die Widerrufsbelehrung habe den Anforderungen der §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 2 BGB a.F. in Verbindung mit den seinerzeit geltenden fernabsatzrechtlichen Vorschriften entsprochen, so dass der Widerruf verfristet sei. Jedenfalls aber hätte das LG den vom Kläger erklärten Widerruf als treuwidrig im Sinn des § 242 BGB ansehen müssen, und zwar wegen Rechtsmissbrauchs. Im Übrigen sei der Anspruch verjährt.
Sodann legt die Beklagte im Einzelnen dar, weshalb sie aufgrund der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Urteil vom 02.01.2016, Az.: 1-6 U 296/14) und des 19. Senats des Oberlandesgerichts Frankfurt (Urteil vom 11.11.2015, Az. 19 U 40/15) von der Rechtsmissbräuchlichkeit des Widerrufs ausgeht. Es sei zu beachten, dass der Widerruf 5 Jahre nach der vollständigen Rückführung der Darlehen erklärt worden und dem gemäß vorm Schutzzweck des verbraucherrechtlichen Widerrufs nicht gedeckt sei. Deshalb berufe sich die Beklagte in Übereinstimmung mit der Entscheidung des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt auf den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens und hilfsweise auf die "Einrede der Verwirkung und die Einrede der Verjährung".
Mit Schriftsatz vom 23.05.2016 bringt die Beklagte ergänzend vor, es sei nicht nachvollziehbar, welchem Informationsdefizit der Kläger unterlegen sei. Er habe insgesamt 5 Eigentumswohnungen, die sämtlich fremd vermietet seien, über die Beklagte finanziert. Trotz des seinerzeitigen Einkommens des Klägers könne nicht davon ausgegangen werden, dass er auf die Finanzierung des Kaufpreises durch die Beklagte nicht angewiesen gewesen sei. Der Kapitaldienst sei durch die Beklagte als darstellbar eingeschätzt und der Kläger in die Bonitätsklasse 2 eingestuft worden. Der Kläger habe seinerzeit ein besonderes Interesse an dem Erwerb der fremdfinanzierten Eigentumswohnungen aufgrund seines persönlichen Verhältnisses zum Hausverwalter gehabt, welches ihm Vorteile bei der Gestaltung des Kaufpreises erbracht habe. Dass der Kläger dann gleichwohl von seinem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht hätte, erscheine aus Sicht der Beklagten höchst unwahrscheinlich.
Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des am 16.02.2016 verkündeten Urteils des LG Wiesbaden, Az.: 1 O 102/15, die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
II. Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Denn die Entscheidung des LG beruht nicht auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO. Auch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen keine andere Entscheidung (§ 513 ZPO). Das angefochtene Urteil ist vielmehr im Wesentlichen zutreffend, so dass nach Maßgabe des Folgenden auf die Ausführungen zur Vermeidung von Wied...