Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorname als Modellbezeichnung

 

Leitsatz (amtlich)

Der BGH hat seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, wonach bei Modellbezeichnungen im Bekleidungssektor regelmäßig davon auszugehen ist, dass sie zumindest auch auf die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Betrieb hinweisen. Ob in einem Angebot für Bekleidungsstücke neben der Herstellerangabe ein weiteres als Modellbezeichnung verwendetes Zeichen als Herkunftshinweis verstanden wird, hängt von der konkreten Art der Verwendung und der Angebotsgestaltung ab (im Streitfall bejaht).

 

Normenkette

MarkenG § 14

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 19.03.2021; Aktenzeichen 2-3 O 104/21)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19.3.2021 abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung wegen

Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung bei Meidung eines vom Gericht für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, untersagt,

im geschäftlichen Verkehr Pullover unter der Bezeichnung "ENNA" in der nachfolgend abgebildeten Form zu bewerben, anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen:

((Abbildung))

Die Kosten des Eilverfahrens beider Instanzen hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf EUR 67.000,00 festgesetzt.

Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

 

Gründe

1. Es besteht ein Verfügungsgrund. Die Dringlichkeit wird nach § 140 Abs. 3 MarkenG vermutet. Gründe, die der Dringlichkeit ausnahmsweise entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.

2. Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Unterlassung der Benutzung der nationalen Wortmarke "ENNA" aus §§ 14 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu.

a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht vorliegend den Verletzungstatbestand der Doppelidentität in Betracht gezogen. Die Marke genießt Schutz für Waren der Klasse 25, unter anderem für Bekleidungsstücke. Die Antragsgegnerin hat in dem angegriffenen Internetangebot (Anlage Ast6) ohne Zustimmung der Antragstellerin im geschäftlichen Verkehr ein mit der Verfügungsmarke identisches Zeichen ("Enna") im Zusammenhang mit dem Angebot eines Pullovers benutzt. Die von der Marke abweichende Kleinschreibung steht der Zeichenidentität nicht entgegen (EuGH GRUR 2011, 1124Rn. 33 - Interflora; BGH GRUR 2016, 405 Rn. 20 - ÖKO-TEST II).

b) Das Landgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, es könne nicht festgestellt werden, dass die Bezeichnung "Enna" in dem angegriffenen Internetangebot kennzeichenmäßig benutzt werde. Die Antragsgegnerin hat die Bezeichnung in dem Angebot nach Art einer Zweitmarke benutzt.

aa) Von einer kennzeichenmäßigen Verwendung ist insbesondere auszugehen, wenn ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs in einem Zeichen den Hinweis auf die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Unternehmen sieht (BGH GRUR 2015, 1201 Rn. 68 - Sparkassenrot/Santander; GRUR 2019, 522 Rn. 25 - SAM). Ob dies der Fall ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Die Verkehrsauffassung wird durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt. Abzustellen ist außerdem auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor, insbesondere auf die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren üblicherweise verwendet werden. Im Bekleidungssektor gibt es verschiedene Kennzeichnungsgewohnheiten (BGH GRUR 2018, 932 Rn. 18 - darferdas I; GRUR 2020, 411 Rn. 13 - darferdas II). Geht es um eine Modellbezeichnung in Verkaufsangeboten im Internet, kommt es auf die konkreten Umstände der Verwendung an. Dabei ist das Angebot in seiner Gesamtheit in den Blick zu nehmen (BGH GRUR 2019, 1289 Rn. 33 - Damen Hose MO). Insbesondere ihre Hervorhebung oder blickfangmäßige Herausstellung kann für eine markenmäßige Verwendung sprechen (vgl. BGH GRUR 2012, 1040Rn. 19 - pjur/pure; BGH GRUR 2017, 520Rn. 26 - MICRO COTTON). Erforderlich ist, dass der angesprochene Verkehr in der konkret in Rede stehenden Art der Verwendung einen Hinweis auf einen bestimmten Hersteller des betreffenden Kleidungsstücks erblickt.

bb) In dem vorliegenden Angebot des Onlineshops "a" wird "Sam" als Modellbezeichnung, nämlich als Bezeichnung des angebotenen "Pullovers Enna" aus dem Hause "SIR RAYMOND TAILOR" verstanden. Dies ergibt sich zwanglos aus dem Kontext des Internetangebots (Anlage Ast6). Neben einer entsprechenden fotografischen Abbildung finden sich folgende blickfangmäßige Angaben:

SIR RAYMOND TAILOR

Pullover Enna, Rundhals

56.81 EUR*

Bei dieser Art der Gestaltung erkennt der angesprochene Verkehr, dass "Enna" das konkrete Kleidungsmodell bezeichnen soll während "SIR RAYMOND TAILOR" als Dachzeichen für eine ganze Modellreihe oder das Labe...

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