Entscheidungsstichwort (Thema)

Modellbezeichnung im Bekleidungssektor als Herkunftshinweis im Sinne einer Zweitmarke (Threadbare Rundhalspullover "Sam")

 

Leitsatz (amtlich)

1. In der hervorgehobenen Angebotsüberschrift - Threadbare Rundhalspullover "Sam" - sieht der angesprochene Verkehr in der Modellbezeichnung "Sam" zugleich einen Herkunftshinweis im Sinne einer Zweitmarke.

2. Die Begriffe "Modellbezeichnung" und "Zweitmarke" schließen sich nicht aus. Vielmehr ist eine Zweitmarke regelmäßig auch eine Modellbezeichnung. Allerdings kommt - umgekehrt - nicht jeder Modellbezeichnung die Funktion einer Zweitmarke zu. Das setzt vielmehr voraus, dass der Verkehr die Modellbezeichnung einem bestimmten Hersteller zuordnet.

3. Es kann keine allgemeine Kennzeichnungsgewohnheit im Bekleidungssektor festgestellt werden, wonach Vornamen grundsätzlich als Bestellzeichen ohne Herkunftsfunktion verwendet werden.

 

Normenkette

MarkenG § 14 Abs. 2, 5

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 31.05.2021; Aktenzeichen 2-3 O 214/21)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 31.5.2021 abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung wegen

Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung

  • bei Meidung eines vom Gericht für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer - untersagt,

im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland Bekleidung unter der Bezeichnung

Threadbare Rundhalspullover "Sam"

zum Kauf anzubieten und/oder anbieten zu lassen, wenn dies geschieht wie in Anlage Ast 1 ersichtlich.

Die Kosten des Eilverfahrens beider Instanzen hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 50.000 EUR festgesetzt.

Die zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

 

Gründe

1. Es besteht ein Verfügungsgrund. Die Dringlichkeit wird nach § 140 Abs. 3 MarkenG vermutet. Hinreichende Gründe, die der Dringlichkeit ausnahmsweise entgegenstehen könnten, hat die Antragsgegnerin nicht glaubhaft gemacht. Der Umstand, dass zwischen der Fertigung des Screenshots von dem angegriffenen Angebot (Anlage Ast1) und der Antragstellung sechs Wochen liegen, ist nach den Gepflogenheiten im hiesigen Gerichtsbezirk noch nicht dringlichkeitsschädlich (vgl. OLG Frankfurt am Main GRUR-RR 2019, 63; OLG Frankfurt am Main GRUR-RR 2020, 368 - Wasserpfeifentabak). Der Dringlichkeit steht auch nicht entgegen, dass der unter der angegriffenen Bezeichnung angebotene Pullover "leider ausverkauft" war. Ebenso spricht es nicht gegen die Dringlichkeit, dass das Angebot nach der Abmahnung abgeschaltet wurde. Unterwirft sich der Schuldner einer Unterlassungspflicht nicht, besteht die Besorgnis, dass der Verstoß wiederholt wird. Dies führt nicht nur zur materiell-rechtliche Wiederholungsgefahr, sondern auch zur Dringlichkeit der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs.

2. Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Unterlassung der Benutzung der nationalen Wortmarke "SAM" aus §§ 14 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zu.

a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landgericht vorliegend den Verletzungstatbestand der Doppelidentität in Betracht gezogen. Die Marke genießt Schutz für Waren der Klasse 25, die Bekleidungsstücke umfasst. Die Antragsgegnerin hat in dem angegriffenen Angebot auf der Handelsplattform "A" (Anlage Ast1) ohne Zustimmung der Antragstellerin im geschäftlichen Verkehr ein mit der Verfügungsmarke identisches Zeichen ("Sam") im Zusammenhang mit dem Angebot eines Pullovers benutzt. Die von der Marke abweichende Kleinschreibung steht der Zeichenidentität nicht entgegen (EuGH GRUR 2011, 1124Rn. 33 - Interflora; BGH GRUR 2016, 405 Rn. 20 - ÖKO-TEST II). Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die der Bezeichnung vorangestellten Wörter "Threadbare Rundhalspullover" nicht in den Zeichenvergleich einzubeziehen sind. Der Verkehr erkennt, dass insoweit kein einheitliches Gesamtzeichen vorliegt.

b) Das Landgericht hat jedoch zu Unrecht angenommen, es könne nicht festgestellt werden, dass die Bezeichnung "Sam" in dem angegriffenen Internetangebot kennzeichenmäßig benutzt werde. Die Antragsgegnerin hat die Bezeichnung in dem Angebot nach Art einer Zweitmarke benutzt.

aa) Von einer kennzeichenmäßigen Verwendung ist insbesondere auszugehen, wenn ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs in einem Zeichen den Hinweis auf die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Unternehmen sieht (BGH GRUR 2015, 1201 Rn. 68 - Sparkassenrot/Santander; BGH GRUR 2019, 522 Rn. 25 - SAM). Ob dies der Fall ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Die Verkehrsauffassung wird durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt. Abzustellen ist außerdem auf die Kennzeichnungsgewohnh...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge