Leitsatz (amtlich)

1. Kein Fortbestehen der Überrumpelung, wenn zwischen der Haustürsituation und der Willenserklärung des Verbrauchers 3 Wochen liegen.

2. Zu den Voraussetzungen eines schadensersatzauslösenden Wissensvorsprungs der Bank bei einer sittenwidrigen Überteuerung der finanzierten Immobilie.

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 04.10.2006; Aktenzeichen 2-19 O 204/06)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des LG Frankfurt/M. vom 4.10.2006 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die nach § 127 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragsteller hat in der Sache keinen Erfolg. Das LG hat das Prozesskostenhilfegesuch aus den im Nichtabhilfe-Beschluss vom 27.10.2006 ausgeführten Gründen zu Recht zurückgewiesen.

1. Die Antragsteller können sich nicht auf einen Widerruf des Darlehensvertrages vom 30.12.1996 berufen. Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die behauptete Haustürsituation für den Abschluss des Darlehensvertrages jedenfalls nicht mehr ursächlich gewesen sein kann.

Ein Widerrufsrecht des Verbrauchers aus § 1 I Nr. 1 HWiG besteht nur, wenn er durch mündliche Verhandlungen in einer Haustürsituation zu seiner späteren Vertragserklärung bestimmt worden ist. Dabei genügt es, dass er in eine Lage gebracht worden ist, in der er in seiner Entschließungsfreiheit, den ihm später angebotenen Vertrag zu schließen oder davon Abstand zu nehmen, beeinträchtigt war (BGH, Urt. v. 20.1.2004 - XI ZR 460/02, BGHReport 2004, 595 m. Anm. Assies = MDR 2004, 582; Urt. v. 8.6.2004 - XI ZR 167/02, MDR 2004, 1367 = BGHReport 2004, 1429; Urt. v. 9.5.2006 - XI ZR 119/05, BGHReport 2006, 1184 = MDR 2006, 1060). Die Willenserklärung des Verbrauchers muss im entscheidenden Beweggrund durch die Haustürsituation veranlasst worden sein. Auch wenn dabei eine Mitverursachung genügt, so ist doch erforderlich, dass der Vertrag ohne die Überrumpelung nicht oder zumindest nicht so zustande gekommen wäre. Ist die Vertragserklärung nicht unmittelbar in der Haustürsituation, sondern zeitlich danach abgegeben worden, muss im Einzelfall geprüft werden, ob das durch die Verhandlungen in der Privatwohnung geschaffene Überraschungsmoment noch fortgewirkt hat. Dazu ist enger zeitlicher Zusammenhang nicht unbedingt erforderlich (BGH, Urt. v. 26.10.1993 - XI ZR 42/3; Urt. v. 16.1.1996 - XI ZR 116/95, MDR 1996, 456; Urt. v. 20.5.2003 - XI ZR 248/02, MDR 2003, 1190 = BGHReport 2003, 961). Mit zunehmendem zeitlichen Abstand aber nimmt die Indizwirkung ab und entfällt schließlich ganz (BGH, Urt. v. 21.1.2003 - XI ZR 125/02, MDR 2003, 466 = BGHReport 2003, 388; Urt. v. 20.5.2003 - XI ZR 248/02, MDR 2003, 1190 = BGHReport 2003, 961; Urt. v. 22.10.2003 - IV ZR 398/02, BGHReport 2004, 106 = MDR 2004, 221; Urt. v. 9.5.2006 - XI ZR 119/05, BGHReport 2006, 1184 = MDR 2006, 1060). In diesen Fällen kann auf die Kausalität der Überrumpelung nur noch durch Würdigung aller Umstände im Einzelfall geschlossen werden. Welcher Zeitraum hierfür erforderlich ist und welche Bedeutung anderen Umständen im Rahmen der Kausalitätsprüfung zukommt, ist Frage der Würdigung des konkreten Einzelfalles (BGH, Urt. v. 21.1.2003 - XI ZR 125/02, MDR 2003, 466 = BGHReport 2003, 388; Urt. v. 18.3.2003 - XI ZR 188/02, MDR 2003, 819 = BGHReport 2003, 747; Urteil vom 20.5.2003, ZR 248/02; Urt. v. 22.10.2003 - IV ZR 398/02, BGHReport 2004, 106 = MDR 2004, 221; Urteil vom 20.1.2004 - XI ZR 460/02, BGHReport 2004, 595 m. Anm. Assies = MDR 2004, 582; Urt. v. 9.5.2006 - XI ZR 119/05, BGHReport 2006, 1184 = MDR 2006, 1060). Der BGH hat bislang offen gelassen, ob ein Anscheinsbeweis zugunsten des in einer Haustürsituation geworbenen Verbrauchers nach der allgemeinen Lebenserfahrung gewöhnlich schon nach einer Woche entfällt (BGH, Urt. v. 9.5.2006 - XI ZR 119/05, BGHReport 2006, 1184 = MDR 2006, 1060). Er hat aber einen Zeitraum von knapp drei Wochen hierfür jedenfalls dann ausreichen lassen, wenn weitere, den Kausalverlauf infrage stellende Umstände hinzutreten (BGH, Urt. v. 9.5.2006 - XI ZR 119/05, BGHReport 2006, 1184 = MDR 2006, 1060).

Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung kann im vorliegenden Fall von einer Kausalität der Haustürsituation für den späteren Abschluss des Darlehensvertrages nicht mehr ausgegangen werden. Nach dem eigenen Vortrag der Antragsteller haben die beiden Berater A und B ihre Vermittlungsbemühungen in der Zeit vom 9. bis 29.10.1996 entfaltet und die Antragsteller überzeugt, die streitbefangene Immobilie zu erwerben. Der Abschuss des Darlehensvertrages ist aber erst rund zwei Monate später erfolgt, nämlich am 31.12.2006.

Dass sich die Antragsteller schon vorher - unmittelbar im Anschluss an die Vermittlerbemühungen - entschlossen hatten, den Kaufvertrag abzuschließen, hat keine Auswirkungen auf die rechtliche Beurteilung, da Kauf- und Darlehensvertrag hier nicht als verbundenes Geschäft angesehen werden können. Auf den Einwendungsdurchgriff nach § 9 Abs. 3 VerbrKrG können sich die Antragsteller nämlich schon deshalb ...

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