Leitsatz (amtlich)

Zur Verhältnismäßigkeit der Anordnung von Haft zur Sicherung der Zurückweisung bei Minderjährigen.

 

Normenkette

AufenthG § 13 Abs. 2 S. 2, § 15 Abs. 4 S. 1, § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-28 T 36/06)

 

Gründe

I. Der nach eigenen Angaben am ...1989 geborene Betroffene, dessen Alter bisher nicht in Zweifel gezogen worden ist, meldete sich am 23.2.2006 bei der grenzpolizeilichen Einreisekontrolle des Flughafens ... Er gab an, palästinensicher Nationalität zu sein und drei Tage zuvor durch einen Schleuser, der seinen Pass und die Flugunterlagen an sich genommen habe, mit einem Flug aus der Türkei in den Transitbereich gelangt zu sein. Er wurde vom 23.2. bis 2.5.2006 in eine Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie eingewiesen und dort ärztlich behandelt.

Die Antragsteller beantragte sodann die Anordnung von Zurückweisungshaft und führte zur Begründung aus, mildere Mittel stünden nicht zur Verfügung, da sich der Transitbereich für einen längeren Aufenthalt nicht eigne und es derzeit keine geeigneten Räumlichkeiten zur Unterbringung von Ausländern am Flughafen gebe, denen die Einreise untersagt sei. Die Unterbringung in einem Jugendheim scheitere daran, dass die Fiktion der Nichteinreise nach § 13 Abs. 2 S. 2 AufenthG durch eine ständige Beaufsichtigung durch die Bundespolizei nicht gewährleistet werden könne und das Jugendamt ... sich nicht für zuständig halte und deshalb die Aufnahme von Jugendlichen in Jugendhilfeeinrichtungen vor der Entscheidung über deren Einreise verweigere.

Daraufhin ordnete das AG Frankfurt/M. Haft zur Sicherung der Zurückweisung des Betroffenen bis zum 2.6.2006 an.

Die hiergegen von dem beigeordneten Verfahrenspfleger eingelegte sofortige Beschwerde wies das LG mit Beschluss vom 24.3.2006 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Kammer sei nach erneuter persönlicher Anhörung zu der Überzeugung gelangt, der Betroffene stamme nicht aus Palästina und versuche, die Behörden über seine wahre Identität zu täuschen. Die Haft sei auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des Senates verhältnismäßig, da der Antragsteller überzeugend dargelegt habe, dass mildere Mittel zur Sicherung der Ausreise nicht gegeben seien. Der Aufenthalt im Transitbereich sei für Minderjährige nicht geeignet und nicht fluchtsicher genug. Eine Unterbringung in der Asylbewerberunterkunft am Flughafen sei auf die Bedürfnisse Jugendlicher nicht zugeschnitten und ebenfalls mit einer zwangsweisen Freiheitsbeschränkung verbunden. Eine Unterbringung in einem Jugendheim scheitere daran, dass die Fiktion der Nichteinreise, der der Vorrang vor der Wahl eines Jugendheimes als eigentlich milderem Mittel einzuräumen sei, nicht mit vertretbarem Aufwand gewährleistet werden könne. Deshalb komme in Transitfällen für Minderjährige nur die Unterbringung in einer jugendgeeigneten Justizvollzugsanstalt in Betracht.

Mit der hiergegen gerichteten sofortigen weiteren Beschwerde führt der Verfahrenspfleger aus, die Haft sei unverhältnismäßig, weil nicht dargelegt worden sei, wieso das Jugendamt nicht über eine Möglichkeit zur Unterbringung verfüge. Der Antragsteller macht geltend, er habe als Bundesbehörde keinen Einfluss bezüglich anderer Unterbringungsmöglichkeiten.

II. Die zulässige sofortige weitere Beschwerde führt auch in der Sache zum Erfolg, da die angeordnete Haft nicht mehr verhältnismäßig ist.

Wie der Senat bereits mit Beschluss vom 30.8.2004 in der Sache 20 W 245/05 (dokumentiert bei Melchior) ausgeführt hat, ist er mit den OLG Köln (Beschluss vom 11.9.2002 in der Sache 16 Wx 164/02 - dokumentiert bei Melchior, Abschiebungshaft; Beschluss vom 2.2.2003 in der Sache 16 Wx 247/02 = JMBl. NW 2003, 129 = NVwZ- Beil. 2003, 48 = OLGReport Köln 2003, 193) und Braunschweig (Beschluss vom 18.9.2003 in der Sache 6 W 26/03) der Auffassung, dass der Anordnung der Sicherung der Abschiebung/Zurückschiebung/Zurückweisung durch Haft bei minderjährigen Ausländern wegen der Schwere des Eingriffs ganz besondere Bedeutung zukommt.

Minderjährige sind besonders schutzbedürftig, werden durch eine Inhaftierung typischerweise erheblich betroffen und können dadurch dauerhafte psychische Schäden davontragen. An das Beschleunigungsgebot sowie die Verhältnismäßigkeit sind in diesen Fällen besondere Anforderungen zu stellen. Deshalb sind die Voraussetzungen für eine Haftanordnung nicht gegeben, wenn die Ausländerbehörde in ihrem Haftantrag nicht darlegt, warum mildere Mittel als Haft zur Sicherung der zwangsweisen Ausreise oder Zurückweisung nicht in Frage kommen. Dieser Rechtsprechung haben sich zwischenzeitlich auch das KG (Beschlüsse vom 18.3.2005 in der Sache 25 W 64/04 = InfAuslR 2005, 268 und vom 14.10.2005 in der Sache 25 W 66/05 dok. bei Melchior) sowie das OLG München (Beschluss vom 28.4.2005 in der Sache 34 Wx 045/05 dok. bei Melchior= OLGReport München 2005, 393) und das Pfälzische OLG Zweibrücken (Beschluss vom 9.3.2006 in der Sache 3 W 36/06 dok. bei Melchior) angeschlossen.

Nach diese...

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