Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachverständigenvergütung: Missverhältnis zum Wert des Streitgegenstandes
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Anzeigepflicht des Sachverständigen gemäß § 8a Abs. 3 JVEG i.V.m. § 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO besteht auch in Kindschaftssachen (hier: Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens).
2. Steht die geltend gemachte Sachverständigenvergütung erheblich außer Verhältnis zum Wert des Verfahrensgegenstandes und ist dies vom Sachverständigen nicht angezeigt worden, hat das Gericht gemäß § 8a Abs. 3 JVEG eine wertangemessene Vergütung festzusetzen, ohne dass es auf eine hypothetische Kausalität der Anzeigepflichtverletzung und damit eine Fortsetzungsprognose ankommt. Es ist nicht zu prüfen, ob der Gutachtenauftrag auch bei rechtzeitiger Mitteilung über die voraussichtlich anfallenden Sachverständigenkosten durch das Gericht nicht entzogen oder eingeschränkt worden wäre.
3. Bei der Vergütungsfestsetzung nach billigem Ermessen gemäß § 8a Abs. 3 JVEG kann das Gericht der weiteren Beschwerde wegen der nach § 546 ZPO eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeit nur prüfen, ob das Beschwerdegericht sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt hat. Es darf nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle der Vorinstanz setzen.
Normenkette
FamFG § 30 Abs. 1; JVEG § 4 Abs. 5, § 8 Abs. 3-4; ZPO § 407a Abs. 4 S. 2, § 546
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 22.03.2021; Aktenzeichen 2-09 T 81/21) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Auf die weitere Beschwerde der X wird der Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22.03.2021 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 25.02.2020 beauftragte das Amtsgericht - Familiengericht - Frankfurt am Main in einer Kindschaftssache betreffend die elterliche Sorge für die beiden Brüder Vorname1 und Vorname2 Nachname1 die Sachverständige mit der Erstellung eines psychologischen Gutachtens zur elterlichen Sorge und zum Umgang. Eine Belehrung über die Verpflichtung zur Anzeige voraussichtlich entstehender Kosten, die erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Verfahrensgegenstandes stehen, war im Zuge der Beauftragung nicht erfolgt.
Nach mehrfacher Korrespondenz mit dem Familiengericht, die jedoch nicht die anfallenden Kosten zum Gegenstand hatte, legte die Sachverständige mit Schreiben vom 07.09.2020 ihr Gutachten vor. Hierfür machte sie mit Rechnung vom 21.09.2020 einen Betrag von insgesamt 15.819,99 EUR brutto (13.637,92 EUR netto) geltend.
Mit Abschluss des Verfahrens am 18.01.2021 setzte das Familiengericht den Verfahrenswert auf 3.000 EUR fest.
Die Bezirksrevisorin bei dem Amtsgericht Frankfurt am Main hat beantragt, die Vergütung der Sachverständigen wegen Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 8a Abs. 3JVEG i.V.m. § 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO auf lediglich 10.000 EUR festzusetzen. Mit der Begründung, dass der Gutachtenauftrag auch bei einem - hier unterbliebenen - Hinweis auf die erhöhten Kosten weder eingeschränkt noch zurückgenommen worden wäre, hat das Familiengericht mit Beschluss vom 16.02.2021 die Vergütung entsprechend der Rechnung in Höhe von 15.819,99 EUR festgesetzt.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Bezirksrevisorin hat das Landgericht - Beschwerdekammer - Frankfurt am Main mit Beschluss 22.03.2021 zurückgewiesen. Es hat hierzu ausgeführt, dass zwar eine Verletzung der auch in Kindschaftssachen grundsätzlich zu beachtenden Mitteilungspflicht nach § 8a Abs. 3 JVEG i.V.m. § 407a Abs. 4 Satz 2 ZPO vorliege, die bei einer Überschreitung des Dreifachen des Regelwertes anzunehmen sei. Allerdings führe das Unterlassen des gebotenen Hinweises nicht automatisch zu einer Kürzung der Vergütung. Diese Frage hänge auch davon ab, ob bei verständiger Würdigung aller Umstände davon ausgegangen werden könne, dass bei rechtzeitigem Hinweis die Tätigkeit des Sachverständigen nicht unterbunden oder unterbrochen worden wäre. Die gegenteilige Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main zur Kürzung der Vergütung auf den Auslagenvorschuss nach § 8a Abs. 4 JVEG (Senat, Beschl. v. 12.11.2019 - 18 W 155/19) sei auf Kindschaftssachen nicht übertragbar, weil diese die Besonderheit aufwiesen, dass ein Auslagenvorschuss gerade nicht erfolge und die Verfahren zum Teil ohnehin von Amts wegen zu betreiben seien. Auch bliebe hiernach der Zweck der Mitteilungspflicht außer Acht, der den Parteien und dem Gericht die Gelegenheit geben solle, von der Begutachtung abzusehen oder einen anderen Sachverständigen anzufragen, der mit weniger zeitaufwändigen Methoden vertraut sei.
Dabei verkenne die Beschwerdekammer nicht, dass sich die Kausalität der unterlassenen Mitteilung im Nachgang nur schwer feststellen lasse. Maßgebliche Bedeutung erlange insoweit die entsprechende (nachträgliche) Einschätzung des Amtsgerichts, die indes wohl nur selten zur Bestätigung der Kausalität einer unterlassenen Mitteilung führen dürfte. Angesichts der größeren Sachnähe des Familiengerichts und mangels anderweitiger Kriter...