Entscheidungsstichwort (Thema)
Versagung der Verfahrenskostenhilfe wegen Mutwilligkeit im Umgangsverfahren
Normenkette
ZPO § 114 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Gelnhausen (Beschluss vom 18.11.2020; Aktenzeichen 61 F 823/20) |
Gründe
Die angefochtene Entscheidung wird abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Kindesmutter wird für den ersten Rechtszug ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt A in Stadt1 bewilligt.
Die gemäß §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässige (sofortige) Beschwerde, mit der sich die Kindesmutter gegen die Zurückweisung ihres Verfahrenskostenhilfeantrags in einem von ihr angeregten Umgangsverfahren wendet, hat auch in der Sache Erfolg.
Verfahrenskostenhilfe war der Kindesmutter nach §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114, 115 ZPO zu bewilligen, weil in ihrer Person die Voraussetzungen der genannten Normen (Bedürftigkeit, hinreichende Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung in der Hauptsache, fehlender Mutwillen) ausnahmslos erfüllt sind. Der Senat vermag dem Familiengericht insbesondere nicht in seiner Auffassung zu folgen, die Rechtsverfolgung der Kindesmutter sei mutwillig, weil eine Versöhnung der Kindeseltern bereits "die ganze Zeit" im Raume gestanden habe. Nach der Legaldefinition des § 114 Abs. 2 ZPO ist Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung nur dann zu bejahen, wenn ein Beteiligter, der keine Verfahrenskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Darüber hinaus gilt für das familiengerichtliche Umgangsverfahren, dass es sich um von Amts wegen zu führende Verfahren iSd. § 24 FamFG handelt (st. Rspr. des Senats, vgl. FamRZ 2020, 1109; Beschlüsse vom 22.6.2018 - 4 WF 83/18 und vom 13.11.2017 - 4 WF 209/17, n. v.; Beschluss vom 19.3.2013 - 4 UF 261/12, juris; so auch BGH FamRZ 2017, 1668; OLG Frankfurt (5. Familiensenat) FamRZ 2015, 1991; OLG Frankfurt (6 Familiensenat) FamRZ 2014, 576 mwN.; OLG Frankfurt (1. Familiensenat) FamRZ 2014, 53; OLG Brandenburg FamRZ 2015, 1993; zum Abänderungsverfahren OLG Celle ZKJ 2011, 433; vgl. Palandt/Götz, BGB, 79. A., § 1696, Rn. 6). Wird - wie hier - die Einleitung eines Umgangsverfahrens angeregt, hat das Familiengericht von Amts wegen zu prüfen, ob es ein Verfahren einleitet. Hierzu ist es verpflichtet, wenn sich aus der Anregung und den dem Gericht bekannten Tatsachen, von denen das Gericht gegebenenfalls im Rahmen weiterer Vorermittlungen Kenntnis erlangt hat, hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das Kindeswohl oder das aus dem verfassungsrechtlich geschützten Elternrecht erwachsende Umgangsrecht eine gerichtliche Umgangsregelung im Sinne des § 1684 Abs. 3 S. 1 BGB erfordern oder dass triftige, das Kindeswohl nachhaltig berührende Umstände die Abänderung einer geltenden gerichtlichen Umgangsregelung erfordern (vgl. MüKoFamFG/Ulrici § 24 Rn. 7 mwN.). Bejaht das Gericht aber - wie hier - ein gerichtliches Regelungsbedürfnis und leitet ein Umgangsverfahren ein, sind die sorgeberechtigten Eltern daran gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zwingend zu beteiligen, weil ihr Umgangsbestimmungsrecht (vgl. Art. 6 GG) durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird. Den Eltern, die sich einer Beteiligung am Verfahren nicht entziehen können, ist auf ihren Antrag hin im Falle ihrer wirtschaftlichen Bedürftigkeit Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, und zwar unabhängig von der Erfolgsaussicht etwaiger Sachanträge der Eltern, an die das Gericht bei seiner Entscheidung ohnehin nicht gebunden ist (st. Rspr. d. Senats, vgl. Beschluss vom 27.6.2011 - 4 WF 144/11, juris; Beschluss vom 15.1.2014 - 4 WF 12/14; Beschluss vom 27.6.2017 - 4 WF 109/17). Eine Versagung der begehrten Verfahrenskostenhilfe wegen Mutwilligkeit kommt danach nur noch ausnahmsweise dann in Betracht, wenn der Verfahrenskostenhilfe begehrende Elternteil das gerichtliche Regelungsbedürfnis selbst mutwillig herbeigeführt hat (vgl. BGH FamRZ 2016, 1058). Dafür ergeben sich vorliegend aber keine Anhaltspunkte. Eine gerichtliche Umgangsregelung ist nach § 1684 Abs. 3 BGB vielmehr immer dann zu treffen, wenn Uneinigkeit der Eltern über die konkrete Umgangsgestaltung besteht oder wenn Einzelheiten der Durchführung des Umgangs in einer vollstreckungsfähigen Art und Weise zu bestimmen sind (vgl. auch Staudinger/Dürbeck (2019) BGB § 1684 Rn. 176 ff. mwN.). Von diesem Erfordernis war aber nach den Angaben der Kindesmutter bei Verfahrenseinleitung auszugehen. Soweit der Kindesvater dazu vorgetragen hat, er sehe bei der Ausübung seines Umgangsrechts "keine Probleme", fehlt es danach gleichwohl an der von der Kindesmutter begehrten verbindlichen Vorgabe von Umgangszeiten und an einer ggf. im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzbaren Umgangsregelung. Anders als das Familiengericht geht der Senat nicht davon aus, dass bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Regelungsbedürfnis wegen des von der Kindesmutter verschwiegenen Absicht der Kindeseltern nich...