Entscheidungsstichwort (Thema)

Anhörungsrüge in Kindschaftssache

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 16.09.2022; Aktenzeichen 1 BvR 1807/20)

 

Tenor

Die Anhörungsrüge der Kindeseltern gegen den Senatsbeschluss vom 09.03.0202 wird zurückgewiesen.

Die von den Kindeseltern erhobene Anhörungsrüge ist statthaft gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 FamFG sowie form- und fristgerecht erhoben.

Der Rechtsbehelf ist jedoch hinsichtlich eines Teils des Vorbringens bereits unzulässig und im Übrigen unbegründet.

 

Gründe

Soweit sich die Rügeschrift im Schwerpunkt mit der Richtigkeit der in der angefochtenen Entscheidung getroffenen Feststellungen, insbesondere der aufgestellten Gefährdungsprognose, der dem zugrundeliegenden Beweiswürdigung und der Bejahung des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1666 BGB, namentlich der Voraussetzungen für eine mit einer Trennung von der Herkunftsfamilie einhergehenden Sorgerechtsentzugs, insbesondere auch im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der zu treffenden Maßnahmen, auseinandersetzt, handelt es sich um Einwendungen, die nicht auf eine Anhörungsrüge hin sachlich beschieden werden können.

Gegenstand des Rügeverfahrens ist weder eine generelle Überprüfung des angegriffenen Beschlusses noch kann auf diesem Weg dem Bedürfnis nach einer Ergänzung der Begründung dieser Entscheidung Rechnung getragen werden (BGH FamRZ 2006, 408; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 20. Auflage, § 44 Rn. 41). Vielmehr dient der Rechtsbehelf der Anhörungsrüge allein der Prüfung eines behaupteten Gehörsverstoßes. Ausführungen zu einem solchen enthalten die Ausführungen der Rügeführer zu den von ihnen angenommenen Begründungsmängeln im Senatsbeschluss vom 09.03.2020 indessen nicht.

Soweit die Rüge überdies in diesem Zusammenhang zu der Aussage gelangt, dass der Senat im Rahmen seiner Prognose den Kindeseltern für die Zukunft strafbares Verhalten "unterstelle" und sich damit in Widerspruch zum Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen setze, die in einer Verfahrenseinstellung resultiert hätten, sei der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass die Staatsanwaltschaft Stadt5 am 20.04.2020 Anklage wegen des Verdachts der Kindesmisshandlung erhoben hat (Az. ...).

Aus den vorstehenden Gründen können die Rechtsbehelfsführer nicht mit ihrem Vorbringen gehört werden, wonach dem Senat im Rahmen der Verlesung der Beschlussformel und nachfolgenden schriftlichen Begründung des Beschlusses gemäß § 41 Abs. 2 FamFG ein Verfahrensfehler unterlaufen sei.

Das Vorstehende gilt des Weiteren auch, soweit mit der Rüge bemängelt wird, dass der Senat es unter Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen, auf eine umfassende Sachverhaltsaufklärung zielenden Gewährleistungsgehalt des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG bzw. unter Verkennung des Erfordernisses einer fachwissenschaftlichen Fundierung für die zu treffenden Feststellungen zu zukünftigen Verhaltenswahrscheinlichkeiten unterlassen habe, ein familienpsychologisches Sachverständigengutachten einzuholen.

In Ermangelung einer Darlegung, inwieweit der Senat im Rahmen der von der Rüge angenommenen unzureichenden Sachverhaltsaufklärung Vortrag der Kindeseltern und damit ihr rechtliches Gehör übergangen hätte, ist das Rügevorbringen auch in diesem Punkt unzulässig. Ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht als solches stellt nicht zugleich eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar (BGH, Beschluss vom 23.03.2017, Az. V ZR 164/16, zit. n. juris).

Zulässig ist das Rügevorbringen in Bezug auf die unterbliebene Einholung weiteren Sachverständigenbeweises nur insoweit, als die Kindeseltern behaupten, dass der Verzicht auf die Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens eine Überraschungsentscheidung dargestellt habe.

Soweit mit der Rüge vorgetragen wird, dass der Senat Sachverhaltsangaben von Polizeibeamten, Jugendamtsmitarbeitern und Ärzten verwertet habe, ohne dass die Kindeseltern Gelegenheit erhalten hätten, hierzu vorzutragen, handelt es sich ebenso wenig um zulässiges Vorbringen, da es insoweit an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit einer Gehörsverletzung fehlt (zu diesem Erfordernis für die Zulässigkeit einer Anhörungsrüge Keidel/Meyer-Holz, 20. Auflage, § 44 Rn. 30). Es obliegt dem Rügeführer, einerseits darzulegen, was er im Falle der Gelegenheit zur Äußerung zu einer bestimmten Tatsache, zu der ihm kein Gehör gewährt worden sei, vorgetragen hätte (BGH NJW-RR 2003, 1003), und andererseits zu den Umständen vorzutragen, aus denen sich ergibt, dass der behauptete Gehörsverstoß auch kausal für die rechtliche Begründung der angefochtenen Entscheidung geworden ist (OLG München FGPrax 2016, 143).

Nach diesen Grundsätzen fehlt es in Bezug auf die mit der Rüge vorgetragene Behauptung, dass der Senat eine Reihe von Angaben dritter Personen verwertet habe, ohne den Kindeseltern die vorherige Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen, bereits an beiden Voraussetzungen für die Darlegung einer entscheidungserheblichen Gehörsverletzung. Mit der Rüge wird nicht dargel...

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