Entscheidungsstichwort (Thema)

Entzug von Teilbereichen des Sorgerechts wegen Kindeswohlgefährdung durch Erziehungsversagen

 

Normenkette

BGB §§ 1666, 1666a

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 16.09.2022; Aktenzeichen 1 BvR 1807/20)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Seine außergerichtlichen Kosten hat jeder Beteiligte selbst zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Kindeseltern wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen den durch das Amtsgericht ausgesprochenen und mit einer Fremdunterbringung einhergehenden Entzug von Teilbereichen des Sorgerechts für ihren Sohn X Nachname1, geb. am XX.XX.2017.

X ist aus der am XX.XX.2015 eingegangenen Ehe der Kindeseltern hervorgegangen. Nach seiner Geburt am XX.XX.2017 kam es am 31.08.2017 zur U-2-Untersuchung durch die behandelnde Kinderärztin, Frau A. Diese ergab den Befund einer Verwachsung am Auge in Gestalt einer "kleinen Fehlbildung", aufgrund derer X das Auge nicht öffnen konnte. Nach einem ambulanten operativen Eingriff am 08.09.2017 in der Universitätsklinik Stadt1 stellte sich der Augenbefund als nicht mehr behandlungsbedürftig dar.

Die Kindeseltern leben seit 2016 in einer Wohnung auf dem im Eigentum der früheren Pflegeeltern des Kindesvaters, der Eheleute Y, stehenden Hausgrundstück, die eine separate Wohnung im selben Gebäude nutzen.

Bei der Kindesmutter handelt es sich um eine gelernte Beruf1, die bis zum Beginn ihrer Elternzeit in einem Wohnheim für behinderte Erwachsene arbeitete. Der Kindesvater wuchs seit seinem zweiten Lebensjahr in der Pflegefamilie Y auf. Nachdem es nach seiner Schilderung zu körperlichen Misshandlungen durch die damalige Ehefrau von Herrn Y gekommen war, verbrachte er die nächsten Jahre in einer stationären Einrichtung, bevor er nach der Trennung seines Pflegevaters von dessen damaliger Ehefrau in die Pflegefamilie zurückkehrte. Im Jahr 1996 wurde beim Kindesvater im Alter von 9 Jahren eine Impulskontrollstörung diagnostiziert. Im weiteren Verlauf kam es zu einem Psychiatrieaufenthalt im Jahr 2003. Der Kindesvater hat nach dem Erwerb des Hauptschulabschlusses eine Beruf2-Lehre absolviert und ist in diesem Beruf tätig.

Am XX.XX.2017, dem 2. Hochzeitstag und 12. Partnerschaftsjubilläum der Kindeseltern, einem Sonntag, kam es am Abend im Haushalt der Eltern zu einem Vorfall, in dessen Verlauf X einen Spiralbruch des rechten Oberschenkels erlitt, der im Klinikum Stadt2 operativ versorgt werden musste. Wie X sich die Verletzung genau zuzog, ist von den Eltern nicht konkret angegeben worden. Nach ihrer Darstellung ist dies deshalb nicht möglich, weil die Kindesmutter sich zu diesem Zeitpunkt im Badezimmer oder im Schlafzimmer aufhielt und der Kindesvater sich wegen einer Erinnerungslücke nicht an den vollständigen Ablauf erinnern kann.

Fest steht nach der übereinstimmenden Darstellung der Eltern, dass X weinte, so dass der Vater ihn aus dem Bett nahm und versuchte, ihn zu beruhigen.

Die Schilderung des folgenden Ablaufs weicht in den seitdem gemachten Angaben in einigen Details voneinander ab. Der Vater erläuterte, dass er bereits in seiner Kindheit nach einem Verkehrsunfall eine Lücke in der Erinnerung gehabt habe.

Auf Nachfrage gaben die Kindeseltern an, dass X nie fremdbetreut worden sei.

Der am Abend des Vorfalls tätige Polizeibeamte hielt in seinem Einsatzbericht fest, dass der Vater ihm gesagt habe, dass er seinem Sohn die Windeln gewechselt habe und hierbei ein Knacken vernommen habe. Im gleichen Augenblick habe X laut geschrien (Bl. 358 d.A.).

Laut dem vorläufige Arztbrief des Klinikums Stadt2 vom 28.11.2017 (Akte AG Stadt3 ... EASO, Bl. 146 f.) berichtete die Kindesmutter nach ihrem Eintreffen in der Klinik in Abwesenheit des Vaters, dass sie im Bad gewesen sei, als der Vater das Kind habe wickeln wollen. Beim Wickeln habe es im rechten Oberschenkel geknackst. Sie habe dann den Rettungsdienst gerufen, weil das Kind anhaltend geschrien und eine Fehlstellung aufgewiesen habe. Die Mutter habe weiter berichtet, dass der Kindesvater den Jungen schon oft gewickelt habe. Er greife das Kind dabei an den Beinen immer so komisch an. Aber es sei ja nur das Bein, der Rest sei ja alles in Ordnung, das sei ja jetzt nicht schlimm.

In einem kurzen Vermerk der ASD-Fachkraft Frau B zu einem Gespräch in der Klinik am 20.09.2017 (Akte AG Stadt3 ... EASO, Bl. 1) wurden die Angaben der Eltern wie folgt in indirekter Rede wiedergegeben: Nach dem Wickeln habe der Vater X "auf den Arm genommen um ihn zu halten und hierbei dem Säugling das Bein gebrochen. An den genauen Ablauf könne sich Herr Nachname1 nicht erinnern. Er habe es nur 'knacken' gehört. X habe angefangen stark zu Schreien und sei blass geworden. Durch den Schrei und den Ruf des Kindesvaters nach Frau Nachname1 sei diese aus der Dusche gesprungen, habe sich einen Eindruck der Situation verschafft und habe umgehend den RTW gerufen".

In einem in der Jugendamtsakte enthaltenen Vermer...

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