Entscheidungsstichwort (Thema)
Überprüfungspflicht der Einhaltung von Rechtsmittelfristen
Normenkette
ZPO § 234 Abs. 2, § 520 Abs. 2, § 522 Abs. 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten zu 2) gegen das Schlussurteil des LG Hanau vom 17.3.2005, Az. 4 O 496/03, (wird) als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Beklagte zu 2) wurde durch das Schlussurteil des LG Hanau vom 17.3.2005 unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger 1.122.217,99 EUR zzgl. Zinsen zu zahlen. Das Urteil wurde dem Beklagten zu Händen seines erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten am 19.4.2005 zugestellt. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte zu 2), nunmehr vertreten durch Rechtsanwalt RA1, am 12.5.2005 Berufung eingelegt und diese am 19.7.2005 mit Schriftsatz vom selben Tag begründet. Ebenfalls am 19.7.2005 hat der Beklagte zu 2) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags führt der Beklagte zu 2) aus, er habe Rechtsanwalt RA1 am 12.5.2005 fernmündlich das Mandat zu seiner Vertretung in der Berufungssache erteilt. Rechtsanwalt RA1 habe ihn daraufhin gebeten, er möge das ihm zugestellte Urteil per Telefax übermitteln, und ihn darauf hingewiesen, dass er mitzuteilen habe, wann seinen erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten das Urteil zugestellt worden sei. Er habe Rechtsanwalt RA1 erklärt, dass die Zustellung am 19.4.2005 erfolgt sei. Sie seien überein gekommen, dass zunächst Berufung eingelegt und Akteneinsicht beantragt werde, um sich einen umfassenden Überblick über den gesamten Inhalt des Rechtsstreits zu verschaffen. Nach dem Telefonat und dem Eingang des Telefaxes habe die Büroangestellte A. des Rechtsanwalts RA1 diesem das Telefax vorgelegt mit dem Bemerken, dass sich das Zustellungsdatum des Urteils nicht aus dem Telefax ergebe und sie daher nicht den Ablauf von Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist feststellen könne. Daraufhin habe Rechtsanwalt RA1 ihr gesagt, dass nach telefonischer Mitteilung des Mandanten die Zustellung am 19.4.2005 bewirkt worden sei. Sie möge den Berufungsschriftsatz fertigen und in den Schriftsatz einen Antrag auf Akteneinsicht aufnehmen. Zugleich sei sie angewiesen worden, den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist auf den 19.6.2005 zu notieren. Dies habe Frau A. jedoch versäumt. Erst aufgrund des Schreibens des Gerichts vom 1.7.2005, bei Rechtsanwalt RA1 zugegangen am 6.7.2005, sei aufgefallen, dass die Frist zur Berufungsbegründung ergebnislos verstrichen sei. In der Kanzlei des zweitinstanzlichen Bevollmächtigten des Beklagten sei die Überwachung von Notfristen so organisiert, dass der zuständige Rechtsanwalt bei Annahme eines Mandats auf der Urteilsausfertigung die Rechtsmittelfrist vermerke oder vermerken lasse und den Vorgang an die zuständige Büroangestellte - hier Frau A. - weiterleite, die die Frist in einem besonderen Fristenkalender notiere, der zum einen elektronisch geführt werde, zum anderen in ein besonderes Fristenbuch eintrage. Die Büroangestellte notiere die Frist und trage zusätzlich eine Vorfrist eine Woche vor Fristablauf ein, jeweils mit einem auffälligen Hinweis "Berufung" oder "Berufungsbegründungsfrist". Außerdem werde die Eintragung im Fristenkalender in den Handakten vermerkt. Die Mitarbeiterin A. sei geschult und zuverlässig, sie habe den Fristenkalender seit über drei Jahren sorgfältig und fehlerlos geführt.
Der Beklagte zu 2) hat sein Vorbringen glaubhaft gemacht durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der Frau A. sowie der anwaltlichen Versicherung durch Rechtsanwalt RA1.
II. Die Berufung des Beklagten zu 2) gegen das Schlussurteil vom 17.3.2005 war als unzulässig zu verwerfen gem. § 522 Abs. 1 ZPO wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Das erstinstanzliche Urteil wurde am 19.4.2005 zugestellt, mithin lief die Berufungsfrist am 19.5.2005 und die Berufungsbegründungsfrist am 20.6.2005 ab (§ 520 Abs. 2 ZPO). Die Berufungsbegründung erfolgte jedoch erst mit Schriftsatz vom 19.7.2005, bei Gericht per Fax am gleichen Tage eingegangen, so dass sie verspätet war.
Dem Beklagten zu 2) ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren.
Der Wiedereinsetzungsantrag des Beklagten zu 2) vom 19.7.2005 ist unzulässig, da er nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 234 Abs. 2 ZPO bei Gericht eingegangen ist. Die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung beginnt mit dem Ablauf des Tages, an dem das Hindernis behoben wird, § 234 Abs. 2 ZPO. Ein Hindernis ist jedoch nicht erst bei Kenntnis des wahren Sachverhalts entfallen; ein Hindernis ist i.S.v. § 234 Abs. 2 ZPO auch behoben, sobald das Fortbestehen der Ursache der Verhinderung nicht mehr...