Leitsatz (amtlich)

Eine Anwendung der ordre-public-Klausel des Art. 34 Nr. 1 EuGVVO kommt nur dann in Betracht, wenn die Anerkennung der in einem anderen Mitgliedsstaat erlassenen Entscheidung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstieße und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Anerkennungsstaats stünde. Es muss sich um eine "offensichtliche" Verletzung einer in der Rechtsordnung des Anerkennungsstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln.

 

Normenkette

EuGVVO Art. 34 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 20.10.2004; Aktenzeichen 2-3 O 538/04)

 

Tenor

Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 23.103,15 EUR.

 

Gründe

Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat der Vorsitzende der 3. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. angeordnet, dass der Zahlungsbefehl des Tribunale di Verona - Außenstelle Soave - vom 15.4.2003 mit dem aus dem angefochtenen Beschluss ersichtlichen Inhalt mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist.

Nach Zustellung des Beschlusses an den Antragsgegner am 12.11.2004 (Bl. 37 d.A.) hat dieser über seinen Verfahrensbevollmächtigten mit einem an das LG gerichteten Schriftsatz vom 24.11.2004 (Bl. 39 ff. d.A.), dort eingegangen am 30.11.2004, Einwendungen gegen den Beschluss erhoben. Er hat beantragt, den Beschl. v. 20.10.2004 aufzuheben und das mündliche Verfahren vor dem LG Frankfurt anzuordnen. Gleichzeitig hat er "Einspruch gegen die Vollstreckbarerklärung mit Dekret vom 11.11.2003 eingelegt" und letztendlich beantragt, die Zwangsvollstreckung bis zur Entscheidung über diesen Antrag einstweilen einzustellen und zwar ohne Sicherheitsleistung. Auf die Begründung in dem bezeichneten Schriftsatz wird verwiesen. Das LG hat die Akte dem LG zur Entscheidung über die Beschwerde des Antragsgegners vorgelegt.

Das Begehren des Antragsgegners muss als Beschwerde gegen den landgerichtlichen Beschl. v. 20.10.2004 ausgelegt werden, nachdem er im Schriftsatz vom 24.11.2004 ausdrücklich die Aufhebung dieses Beschlusses beantragt. Nach Art. 43 Abs. 1 EuGVVO ist dies jedoch lediglich durch Einlegung eines Rechtsbehelfs möglich. Dieser ist gem. den Art. 43 EuGVVO, Anhang III. zum EuGVVO, §§ 1 Abs. 1 Nr. 2b, 11 ff. AVAG die Beschwerde zum OLG. Als solche ist das Rechtsmittel statthaft und auch ansonsten zulässig, so insb. fristgerecht eingelegt worden. Es ist auch gem. § 11 Abs. 2 AVAG unerheblich, dass der Antragsgegner seine Eingabe an das LG gerichtet hat. Mit Erlass des Beschlusses vom 20.10.2004 durch den Vorsitzenden der Zivilkammer ist das dortige Verfahren zur Vollstreckbarerklärung der ausländischen Entscheidung zunächst beendet; der Antragsgegner hat lediglich die Möglichkeit, seine Einwendungen im Rahmen der Beschwerde geltend zu machen. Die Prüfung der Einwendungen des Antragsgegners beim LG unter Durchführung einer mündlichen Verhandlung, wie vom Antragsteller begehrt, ist demgemäß nicht möglich (vgl. auch Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 43 EuGVVO Rz. 10). Um einen Antrag gem. den §§ 27 ff. AVAG handelt es sich ersichtlich nicht.

Die Beschwerde des Antragsgegners hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Die Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung liegen vor; weder fehlt es an den formellen Voraussetzungen, noch ist ein Vollstreckbarerklärungsversagungsgrund gegeben (vgl. Rauscher/Leible, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 34 Brüssel I-VO Rz. 22 ff; Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, Art. 45 Brüssel I-VO Rz. 2 ff.).

Zu Recht hat das LG angeordnet, dass der Zahlungsbefehl des Tribunale di Verona - Außenstelle Soave - vom 15.4.2003 mit dem aus dem angefochtenen Beschluss ersichtlichen Inhalt mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist. Die Förmlichkeiten der Art. 53, 54 EuGVVO sind im landgerichtlichen Verfahren gewahrt worden. Insbesondere hat die Antragstellerin die Bescheinigung nach den Art. 54 und 58 der EuGVVO vorgelegt. Soweit das LG anhand der vorgelegten Unterlagen die Bezeichnung des Antragsgegners konkretisiert hat, war dies zulässig (vgl. OLG Hamburg v. 18.6.1993 - 6 W 21/93, 6 W 57/92, RIW 1994, 424; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2. Aufl., Art. 38 EuGVVO Rz. 28). Der Antragsgegner erhebt insoweit auch keine Einwendungen.

Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der von dem vorbezeichneten Gericht für vollstreckbar erklärte Zahlungsbefehl eine Entscheidung i.S.d. Art. 32, 38 EuGVVO darstellt. Es handelt sich um eine von einem Gericht eines Mitgliedsstaates erlassene Entscheidung, Art. 32 EuGVVO. Aus dem weiteren Inhalt des Zahlungsbefehls ergibt sich, dass mangels Widerspruchs bzw. Zahlung durch den Antragsgegner die Zwangsvollstreckung eingeleitet werde. Er ist jedenfalls auch nach Ablauf der 50-tägigen Frist für vollstreckbar erklärt worden. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass das LG die vorgelegte Entscheidung als hinreichend für eine Vollstre...

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