Leitsatz (amtlich)

Nach der Regierungsbegründung zu § 319 Abs. 6 AktG n.F. (UMAG) kommt es bei der Auslegung des Kriteriums "offensichtlich unbegründet" nicht darauf an, welcher Prüfungsaufwand erforderlich ist, um die Unbegründetheit der Anfechtungsklage festzustellen. Entscheidend ist vielmehr das Maß an Sicherheit, mit der sich die Unbegründetheit unter den Bedingungen des Eilverfahrens prognostizieren lässt. Offensichtlich unbegründet ist eine Anfechtungsklage dann, wenn sie mit hoher Sicherheit die Unbegründetheit der Klage vorhersagen lässt (OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.2.2006 - 12 W 185/05, AG 2006, 249; ebenso OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.8.2006 - 15 W 110/05).

 

Normenkette

AktG § 319 Abs. 6

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 13.01.2009)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 5. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. vom 13.1.2009 wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 75.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von 63 Mio. EUR. Mit ihrer Hauptaktionärin als herrschender Gesellschaft besteht ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag.

Mit Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger vom 16.7.2008 lud die Antragstellerin zu einer Hauptversammlung am 29.8.2008 ein. Gegenstand der Tagesordnung war u.a. die Beschlussfassung zu Top 6 über die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Hauptaktionärin gegen Gewährung einer Barabfindung i.H.v. 91 EUR je Stück Aktie (sog. Squeeze-out). Die Einladung enthielt u.a. folgende Bestimmung:

"Aktionäre, die nicht selbst an der Hauptversammlung teilnehmen möchten, können einen Bevollmächtigten, auch ein Kreditinstitut oder eine Vereinigung von Aktionären, beauftragen, für sie an der Hauptversammlung teilzunehmen und das Stimmrecht auszuüben. Die Vollmacht zur Ausübung des Stimmrechts bedarf der schriftlichen Form."

Die Satzung der Beklagten enthält keine Bestimmungen über eine Vertretung von Aktionären auf Hauptversammlungen.

In der Hauptversammlung am 29.8.2008 wurde zu Top 6 der sog. Squeeze-out-Beschluss gefasst. Für die Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte Ablichtung des notariellen Protokolls (Anlage AS 3, Sonderband) verwiesen.

Die Antragsgegner haben jeweils Anfechtungs-/Nichtigkeitsklage u.a. gegen den Übertragungsbeschluss erhoben. Diesen Klagen hat das LG Frankfurt/M. mit Urteil vom 13.1.2009 (Az. 3/5 O 210/08) stattgegeben.

Im vorliegenden Freigabeverfahren begehrt die Antragstellerin gem. §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 AktG die Feststellung, dass die erhobenen Klagen einer Eintragung des Übertragungsbeschlusses nicht entgegenstehen.

Die Antragstellerin hat die Meinung vertreten, dass der zu Top 6 der streitgegenständlichen Hauptversammlung am 29.8.2008 gefasste Beschluss weder nichtig noch anfechtbar sei. Teilweise seien die Antragsgegner bereits nicht klagebefugt, da sie ihre Aktionärsstellung zum Zeitpunkt der Bekanntmachung der Tagesordnungen nicht nachgewiesen hätten. Auch hätten sie teilweise keinen Widerspruch gegen die Beschlussfassung erklärt bzw. ihre Klagen nicht binnen der Anfechtungsfrist gem. § 246 Abs. 1 AktG erhoben. Weiter hat die Antragstellerin die Auffassung vertreten, dass die in der Einladung angegebene Bedingung für die Ausübung des Stimmrechts hinsichtlich der geforderten schriftlichen Vollmachtserteilung nicht zu beanstanden sei. Aus dem Wortlaut des Gesetzes lasse sich nicht entnehmen, dass § 135 AktG eine Abweichung vom allgemeinen Schriftformerfordernis für die Vollmacht des § 134 Abs. 3 AktG beinhalte. Jedenfalls aber seien in der Einladungs-Bekanntmachung lediglich die gesetzlichen Voraussetzungen dargestellt worden. Zudem seien die Modalitäten der Vollmachtsausübung keine Bedingung für die Stimmrechtsausübung, so dass jedenfalls keine Nichtigkeit des Beschlusses vorliege. Im Übrigen hat die Antragstellerin die Auffassung vertreten, dass der Beschluss auch ansonsten unter keinen verfahrensmäßigen oder inhaltlichen Mängeln leide, die eine Anfechtbarkeit begründen könnten.

Schließlich hat die Antragstellerin ein vorrangiges Vollzugsinteresse gem. §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 S. 2 AktG geltend gemacht. Sie hat hierzu behauptet, durch die Abhaltung von Hauptversammlungen als börsennotierte Gesellschaft entstünden ihr jährliche Kosten von ca. 200.000 EUR.

Die Antragstellerin hat beantragt festzustellen, dass die Erhebung der Klagen der Antragsgegner zu 1-27 (LG Frankfurt/M., Az. 3-05 O 210/08 und Az. 3-05 O 343/08) gegen die Wirksamkeit des Beschlusses der ordentlichen Hauptversammlung der Antragstellerin vom 29.8.2008 zu Tagesordnungspunkt 6 über die Übertragung der Aktien der Aktionäre der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung (Ausschluss von Minderheitsaktionären) der Eintragung dieses Übertragungsbeschlusses in das Handelsregiste...

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