Entscheidungsstichwort (Thema)
Zivilrechtlicher Titel als Voraussetzung für Zugriff auf von Strafverfolgungsbehörden arrestieres Vermögen
Leitsatz (amtlich)
Da der Antragsteller mit Aufrechterhaltung des dinglichen Arrestes ausschließlich eine privilegierte Vollstreckungsmöglichkeit erhält, lässt die Rückgewinnungshilfe das Sicherungsbedürfnis nicht entfallen. Um Zugriff auf das von den Strafverfolgungsbehörden arrestierte Vermögen und die gepfändete Forderung nehmen zu können, bedarf es eines Titels nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung, nämlich eines vorläufig vollstreckbaren Urteils oder eines Arrestbefehls.
Normenkette
StPO § 916; ZPO § 111 Abs. 4 S. 2, § 111i Abs. 3
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 23.02.2012; Aktenzeichen 2/26 O 9/12) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 26. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. vom 23.2.2012 teilweise abgeändert.
Wegen einer Schadensersatzforderung der Antragstellerin gegen den Antragsgegner zu 1. i.H.v. 140.075,62 EUR wird der dingliche Arrest in das gesamte Vermögen des Antragsgegners zu 1. angeordnet.
In Vollziehung des Arrestes wird die Forderung des Antragsgegners zu 1. gegen das Land Hessen, Gerichtskasse Frankfurt/M., auf Herausgabe des dort unter der Nummer ... hinterlegten Betrages i.H.v. 1488 EUR, gepfändet.
Durch Hinterlegung von 140.075,62 EUR wird die Vollziehung dieses Arrestes gehemmt und der Antragsgegner zu 1. berechtigt, die Aufhebung des vollzogenen Arrestes zu beantragen.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten beider Instanzen tragen die Antragstellerin und der Antragsgegner zu 1. je zur Hälfte. Von den außergerichtlichen Kosten beider Instanzen tragen die Antragstellerin die der Antragsgegnerin zu 2. voll und ½ der eigenen, der Antragsgegner zu 1. die eigenen und ½ der der Antragstellerin erwachsenen Kosten.
Der Beschwerdewert wird, ebenso wie der Streitwert des Arrestverfahrens erster Instanz, auf 28.000 EUR festgesetzt.
Gründe
[1] Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat teilweise Erfolg und führt - wegen Dringlichkeit ohne vorherige mündliche Verhandlung - zur Anordnung des beantragten dinglichen Arrestes (§ 916 ff. ZPO) gegenüber dem Antragsgegner zu 1. Im Übrigen ist die sofortige Beschwerde unbegründet.
[2] Die Antragstellerin hat durch ihr Vorbringen in dem Schriftsatz vom 20.1.2012 nebst Anlagen, auf die Bezug genommen wird, dargelegt und glaubhaft gemacht, dass ihr ein Schadensersatzanspruch gegen den Antragsgegner zu 1. wegen schweren Raubes und räuberischer Erpressung in der im Beschluss tenorierten Höhe zusteht.
[3] Hingegen hat die Antragstellerin den Anspruchsgrund gegenüber der Antragsgegnerin zu 2. nicht glaubhaft gemacht. Ihre Darlegung, dass die Antragsgegnerin zu 2. zusammen mit dem Antragsgegner zu 1. und Herrn X die ehemalige ... Filiale der Antragstellerin, in Stadt1 3 Mal überfallen habe, wird durch das Urteil des LG Frankfurt/M. vom 10.5.2011 gegen den Antragsgegner zu 1. (Bl. 10,11 d.A.) und die Beschlüsse vom 10.5.2011 nach § 111i Abs. 3 StPO (Bl. 12,13; 14,15 d.A.), nicht belegt. Die Antragsgegnerin zu 2. ist weder inhaftiert, noch verurteilt und wird mit Beschluss vom 10.5.2011 (Bl. 14,15 d.A.) lediglich als Beteiligte bezeichnet. Dies reicht zur Glaubhaftmachung eines Schadenersatzanspruches der Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin zu 2. i.H.v. 140.075,62 EUR nicht aus.
[4] Gegenüber dem Antragsgegner zu 1. ist auch ein Arrestgrund zu bejahen. Zwar hat das LG Frankfurt/M. in der Strafsache gegen den Antragsgegner zu 1 ... (1/11) mit Beschluss vom 10.5.2011 den dinglichen Arrest des AG Frankfurt/M. vom 22.4.2009 (...) betreffend den Antragsgegner zu 1. i.H.v. 208.930 EUR sowie die Pfändung des bei dem Antragsgegner zu 1. sichergestellten und zwischenzeitlich bei der Gerichtskasse Frankfurt/M. unter der Hinterlegungsnummer ... eingezahlten Betrages i.H.v. 1.488 EUR für die Dauer von 3 Jahren ab Rechtskraft des am 10.5.2011 verkündeten Urteils aufrechterhalten (§ 111i Abs. 3 StPO) - das Strafurteil ist seit dem 1.12.2011 rechtskräftig-, doch lässt die Rückgewinnungshilfe das Sicherungsbedürfnis nicht entfallen. Denn mit Aufrechterhaltung des dinglichen Arrestes erhält die Antragstellerin ausschließlich eine privilegierte Vollstreckungsmöglichkeit (§ 111 Abs. 4 S. 2 StPO). Um jedoch Zugriff auf das von den Strafverfolgungsbehörden arrestierte Vermögen und die gepfändete Forderung nehmen zu können, bedarf es eines Titels nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung, nämlich eines vorläufig vollstreckbaren Urteils oder eines Arrestbefehls [vergleiche amtliche Bekundung zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten, (BT-Drucks. 16/7000 Seite 9 Nr. 8, Seite 11 zu Nr. 2), Seite 13 zu Nr. 4), Seite 17, 18; OLG Frankfurt, Beschl. v. 9.11.2009 - 19 W 71/09; KG, Beschl. v. 7.1.2010 - 23 W 1/10; Meyer/Goßner, StPO, 54. Aufl., § 111g Rz. 2; BGH NJW 2000, 2027]. In Anlehnun...