Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen für eine vorläufige Amtsenthebung des Notars nach §§ 54 Abs. 1 Nr. 2 BNotO i.V.m. 50 Abs. 1 Nr. 6 und 8.
Nachgehend
Tenor
Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung gegen die Anordnung des Antragsgegners vom 28.9.2005 (Präsident des LG ..., Az. K. 320) wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Geschäftswert wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist Rechtsanwalt und Notar mit Sitz in O1.
Mit Beschluss vom 31.8.2005 hat das AG Friedberg auf Antrag des Finanzamts... das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet. Daraufhin hat der Antragsgegner mit Bescheid des Präsidenten des LG Gießen vom 28.9.2005 den Antragsteller nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 und 8 i.V.m. § 54 Abs. 1 Nr. 2 BNotO vorläufig des Amtes enthoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Vermutung eines Vermögensverfalls nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO angesichts der desolaten Vermögensverhältnisse des Antragstellers nicht widerlegt sei. Aus dem Gutachten des vorläufigen Insolvenzverwalters Rechtsanwalt RA1, O2, vom 22.8.2005 ergäbe sich, dass sich die Verbindlichkeiten ggü. dem Finanzamt auf 449.592,83 EUR, gegenüber verschiedener Banken auf 1.632.168,59 EUR sowie gegenüber Privatpersonen auf ca. 725.000 EUR beliefen. Dem stünden vier Eigentumswohnungen in O3 mit einem Verkehrswert von ca. 186.000 EUR gegenüber. Zur Tilgung stünden dem Antragsteller nach dem Gutachten monatlich lediglich 4.420 EUR zur Verfügung. Selbst wenn es der Ehefrau des Antragstellers gelänge, das in ihrem Eigentum stehende Anwesen ... zu dem anvisierten Preis von 1,7 Mio. EUR zu veräußern, verblieben bei Einsatz dieser Summe zur Schuldentilgung immer noch Verbindlichkeiten von mehr als 1 Mio. EUR.
Im Hinblick auf § 50 Abs. 1 Ziff. 8 BNotO verweist der Antragsgegner darauf, dass sich der Antragsteller in der Vergangenheit mehrfach Darlehen von Dritten habe auszahlen lassen, ohne zu einer vollständigen Tilgung in der Lage gewesen zu sein. Teilweise hätten die Ansprüche gerichtlich geltend gemacht werden müssen, und es sei zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gekommen.
Vor diesem Hintergrund sei die vorläufige Amtsenthebung zum Schutz des rechtsuchenden Publikums unvermeidbar und verhältnismäßig. Dabei bezieht sich der Antragsgegner insbesondere auf die Grundstückskaufangelegenheit Eheleute X./. Y. Der Antragsteller habe am ... 2005 einen Kaufvertrag zwischen den Eheleuten X als Verkäufer und Frau Y als Käuferin beurkundet.
Bereits im Dezember 2004 habe er bei Frau Y ein Darlehen i.H.v. 60.000 EUR aufgenommen, auf dessen rechtzeitige Rückzahlung sie angewiesen gewesen sei, um ihrer Kaufpreisverbindlichkeit nachkommen zu können. Der Antragsteller sei aber zur rechtzeitigen Rückzahlung nicht in der Lage gewesen.
Gegen diese ihm am 5.10.2005 zugestellte Anordnung hat der Antragsteller am 7.11.2005 Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Dazu führt er aus: Der Antragsgegner hätte zunächst die Gläubigerversammlung und den Versuch des Insolvenzverwalters abwarten müssen, ein Insolvenzplanverfahren durchzuführen. Dies gebiete die Entscheidung des BGH vom 22.3.2004. Der Verkehrswert der 4 Eigentumswohnungen betrage nicht 186.000 EUR; vielmehr ließen sich 327.000 EUR erzielen, was sich aus den bisherigen Verkaufserlösen anderer Wohnungen ergäbe, aus denen bereits 59.000 EUR an das Finanzamt geflossen seien. Er, der Antragsteller, habe in der Vergangenheit seine Verpflichtungen gegenüber Geschäftsbanken und Privatpersonen bis auf wenige geringfügige Ausnahmen stets erfüllt. Durch die Maßnahme werde ihm der Boden für weitere Tilgungen entzogen. Zudem sei der von dem Insolvenzverwalter angenommene monatliche Tilgungsbetrag von 4.420 EUR zu niedrig angesetzt; vielmehr sei er aufgrund der bislang jährlich erzielten Umsätze in der Lage, Verbindlichkeiten von 1.000.000 EUR zu bedienen. Dieser Restbetrag werde außerdem dadurch gemindert, dass die Banken über Sicherheiten verfügten.
Hinsichtlich einer Gefährdung der Interessen Rechtsuchender führt der Antragsteller aus, in den Fällen der Privatschuldner A und B, in denen gegen ihn Versäumnisbzw. Anerkenntnisurteil ergangen ist, habe er die sich anschließenden Tilgungsvereinbarungen bis zur Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens eingehalten.
Der Präsident des LG Gießen habe außerdem ermessensfehlerhaft angenommen, seine Wirtschaftsführung sei nicht mit der ordnungsgemäßen Ausübung des Notarsamts vereinbar; sein Amtsvorgänger habe hinsichtlich der Angelegenheit X keine Veranlassung zu einer vorläufigen Amtsenthebung gesehen. Auch habe er, der Antragsteller, bislang in keinem Fall fremdes Vermögen sachwidrig verwaltet. Der Antragsteller sieht letztlich seine verfassungsrechtlichen Rechte verletzt.
Der Antragsteller beantragt, die Anordnung des Präsidenten des LG Gießen vom 28.9.2005 aufzuheben.
Der Antragsgegner beantragt, den An...