Leitsatz (amtlich)
§ 252 Abs. 4 FamFG ist im Hinblick auf den mit ihm verfolgten Zweck einschränkend dahingehend auszulegen, dass eine erneute Auskunftserteilung und Belegvorlage durch den sich auf seine Leistungsunfähigkeit berufenden Unterhaltspflichtigen im vereinfachten Unterhaltsverfahren ausnahmsweise entbehrlich ist, wenn dem Unterhaltsberechtigten die geschuldete Auskunft ersichtlich bereits erteilt worden ist und die vorzulegenden Belege ersichtlich bereits vorgelegt worden sind und keine Anhaltspunkte für eine zwischenzeitliche Änderung der Verhältnisse erkennbar sind.
Erhebt der Unterhaltspflichtige im vereinfachten Unterhaltsverfahren den Einwand fehlender Leistungsfähigkeit, muss er nicht zu der Frage vortragen, ob und wie er einer etwaigen Erwerbsobliegenheit genügt. Die Klärung der Frage, ob dem Unterhaltspflichtigen fiktive Einkünfte anzurechnen sind, ist dem streitigen Verfahren nach § 255 FamFG vorbehalten.
Normenkette
FamFG § 252 Abs. 4, § 256
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 403 FH 8/21) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur weiteren Bearbeitung durch den Rechtspfleger nach §§ 254, 255 FamFG an das Familiengericht zurückverwiesen.
Für den zweiten Rechtszug wird von der Erhebung von Gerichtskosten abgesehen. Außergerichtliche Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Das Antrag stellende Land gewährt dem am ... geborenen Sohn M. des Antragsgegners seit dem 1.8.2017 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe des Mindestunterhalts abzüglich des vollen für ein erstes Kind zu zahlenden Kindergelds. M. lebt bei seiner Mutter, welche mit ihm und seinen beiden Geschwistern S., geb. am ..., und I., geb. am ..., die beide ebenfalls Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erhalten, am 5.12.2019 in den Zuständigkeitsbereich der Unterhaltsvorschussstelle der Stadt F. zog.
Mit Schreiben vom 13.1.2020 unterrichtete die Unterhaltsvorschussstelle der Stadt F. den Antragsgegner über die Leistungsgewährung und den damit verbundenen Anspruchsübergang und forderte den Antragsgegner zur Auskunftserteilung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zwecks Prüfung seiner Leistungsfähigkeit auf. Der Antragsgegner erteilte daraufhin, wie sich aus einem Schreiben der Unterhaltsvorschussstelle vom 13.5.2020 ergibt, die geforderte Auskunft, aus welcher sich unter anderem ergab, dass er arbeitslos ist und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezieht. In dem sich anschließenden Schriftverkehr wies die Unterhaltsvorschussstelle den Antragsgegner auf seine gesteigerte Erwerbsobliegenheit hin und bat um die Vorlage von Nachweisen über etwaige Arbeitsbemühungen bzw. über die vom Antragsgegner behaupteten gesundheitlichen Einschränkungen.
Da die Unterhaltsvorschussstelle die vorgelegten Nachweise als unzureichend erachtete, beantragte sie mit Schreiben vom 7.6.2021 beim Familiengericht im vereinfachten Verfahren die Festsetzung laufenden Unterhalts für das Kind M. in Höhe des Mindestunterhalts abzüglich des vollen Kindergelds für ein erstes Kind ab 1.7.2021 sowie die Festsetzung rückständigen Unterhalts für das genannte Kind für den Zeitraum vom 1.1.2020 bis zum 30.6.2021 in Höhe von 3.024,- Euro nebst Zinsen.
In der Antragsbegründung heißt es wörtlich:
"Der Antragsgegner bezieht Leistungen nach dem Sozialgesetz - Zweites Buch - (SGB II), geringfügige Einkünfte. Aus diesem Grund wurde er mit Schreiben vom 13.5.2020 auf seine gesteigerte Erwerbsobliegenheit - § 1603 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 GG - hingewiesen und gleichzeitig aufgefordert, hinreichende Nachweise über seine Bewerbungsbemühungen zu führen. Dieser Aufforderung ist er nicht nachgekommen."
Der Antrag wurde dem Antragsgegner unter dem Aktenzeichen 403 FH 8/21 VU des Amtsgerichts mit den auf den 29.6.2021 datierten und am 30.6.2021 ausgefertigten Hinweisen nach § 251 Abs. 1 Satz 2 FamFG und einem Formularvordruck für die Erhebung von Einwendungen am 3.7.2021 zugestellt.
Ebenfalls am 3.7.2021 wurde dem Antragsgegner unter dem Aktenzeichen 403 FH 7/21 VU des Amtsgerichts der das Geschwisterkind I. betreffende Festsetzungsantrag nebst auf den 29.6.2021 datierten und am 30.6.2021 ausgefertigten Hinweisen nach § 251 Abs. 1 Satz 2 FamFG und einem Formularvordruck für die Erhebung von Einwendungen zugestellt.
Bereits am 1.7.2021 war dem Antragsgegner unter dem Aktenzeichen 403 FH 6/21 VU des Amtsgerichts der das Geschwisterkind S. betreffende Festsetzungsantrag nebst auf den 23.6.2021 datierten und am 29.6.2021 ausgefertigten Hinweisen nach § 251 Abs. 1 Satz 2 FamFG und einem Formularvordruck für die Erhebung von Einwendungen zugestellt worden.
Mit Schreiben vom 12.7.2021, beim Amtsgericht eingegangen am 15.7.2021, erhob der Antragsgegner unter dem Aktenzeichen 403 FH 7/21 VU "Einwendungen und Einspruch gegen Ihr Schreiben vom 30.6.2021." Er erklärte, er sei ALG - II - Empfänger und sei seinen Verpflichtungen gegenüber der Unterhaltsvorschussstelle stets vo...