Leitsatz (amtlich)
Kein Anspruch eins verurteilten Straftäters auf Unterlassung einer archivierten Berichterstattung im Internet.
Normenkette
BGB §§ 823, 1004; GG § 5
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 31.07.2006; Aktenzeichen 2-03 O 504/06) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des LG Frankfurt/M. vom 31.7.2006 - 2-03 O 504/06 - wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Streitwert für die 1. und 2. Instanz wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung die strafbewehrte Unterlassung, Bildnisse von ihm ohne seine Zustimmung im Zusammenhang mit dem Mord an A öffentlich zugänglich zu machen sowie über ihn im Zusammenhang mit dem Mord an A in identifizierender Weise, insb. bei voller Namensnennung, zu berichten.
Er nimmt dabei Bezug auf drei über die von der Antragsgegnerin verantwortete Internetseite "www ...." aufgerufene Artikel vom ... 1996,... 1998 und ... 2003, in denen über ihn und dem Mord an A berichtet bzw. in denen er im Zusammenhang mit dem Mord namentlich erwähnt wird.
Das LG hat den Antrag u.a. mit der Begründung zurückgewiesen, bei den angegriffenen Artikeln handele es sich um eine ursprünglich zulässige Berichterstattung. Das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers werde nicht dadurch verletzt, dass die Artikel aus den Jahren 1996, 1998 und 2003 noch im Juli 2006 im Internet abrufbar waren. Die Antragsgegnerin sei zu einer Entfernung der Artikel nicht verpflichtet. Zum einen liege die rechtskräftige Verurteilung des Antragstellers erst 6 Jahre zurück; zum anderen müsse die Antragsgegnerin nicht ständig ihre Archive kontrollieren. Im Übrigen greife auch der vom BVerfG hervorgehobene Schutzgedanke der Resozialisierung bei dem zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilten Antragsteller nicht.
Gegen diesen ihm am 2.8.2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 3.8.2006 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung weiter verfolgt.
Er steht weiterhin auf dem Standpunkt, eine identifizierende Berichterstattung - noch dazu mit Bild - sei nicht mehr zulässig; es bestünde die konkrete Gefahr, dass über ihn zeitlich unbegrenzt berichtet werde. Auch gelte keine "Archivausnahme". Die Antragsgegnerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.
Das LG hat zu Recht einen Anspruch des Antragstellers auf Unterlassung der beanstandeten Berichterstattung verneint.
Die von dem Antragsteller beispielhaft herangezogenen Artikel "..." und "..." stammen vom ... 1996 und ... 1998 und berichten über das von dem Antragsteller begangene Verbrechen sowie den Prozess und seinen Ausgang, wobei letzterer zusätzlich ein während des Prozesses gemachtes Foto des Antragstellers zeigt. Dabei gesteht der Antragsteller selbst zu, dass es sich zum damaligen Zeitpunkt um eine zulässige Berichterstattung handelte, die sein Persönlichkeitsrecht nicht verletzt.
Gleiches gilt aber auch für den am 4.3.2003 erschienenen Artikel "Gute Karten für den Angeklagten", in dem im Zusammenhang mit dem Prozess um den Mord an B darauf hingewiesen wird, dass sich im Schwurgerichtssaal 165 C des LG Frankfurt bereits der Antragsteller habe verantworten müssen, wobei die Anklage damals auf Mord und erpresserischen Menschenraub gelautet habe. Das LG hat zutreffend ausgeführt, dass es sich dabei angesichts des besonders spektakulären Strafverfahrens gegen den Antragsteller und der seit Rechtskraft des Urteils ergangenen Zeitspanne von lediglich 3 Jahren noch um eine zulässige Berichterstattung handelt. Das gilt um so mehr, als in diesem Artikel der Antragsteller nicht im Mittelpunkt des Interesses steht, sondern lediglich am Rande erwähnt wird.
Dass auf diese Artikel auch noch im Juli 2006 über die Internetseite der Antragsgegnerin zugegriffen werden konnte, führt entgegen der Auffassung des Antragstellers auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG nicht dazu, dass der Antragsgegnerin untersagt werden könnte, über ihn wie aus den Artikeln ersichtlich zu berichten bzw. ein Bildnis von ihm zu zeigen.
In seinem sog. Lebach-Urteil hat das BVerfG entschieden, dass eine spätere Berichterstattung jedenfalls dann unzulässig ist, wenn sie geeignet ist, ggü. der aktuellen Information eine erheblich neue oder zusätzliche Beeinträchtigung des Täters zu bewirken, insb. seine Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu gefährden (BVerfG vom 5.6.1973, BVerfGE 35, 202 ff.).
Von einer solchen späteren Berichterstattung, die zu einer neuen oder zusätzlichen Beeinträchtigung des Antragstellers führen würde, kann vorliegend aber nicht ausgegangen werden.
Die Antragsgegnerin hat weder erneut einen Artikel über den Antragsteller in das Internet eingestellt noch sonst aktuell auf die alten Artikel Bezug genommen. Sie hat lediglich - ihrer Aufgabe als Archivarin der...