Leitsatz (amtlich)
Wiedereinsetzung: Notwendige selbstständige Fristenprüfung durch den Rechtsanwalt bei Vorlage der Akten
Normenkette
ZPO § 233
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 11.12.2018; Aktenzeichen 9 O 53/18) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 11.12.2018 wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.868,24 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadenersatz für ein geleastes Fahrzeug im Rahmen des sog. "Diesel-Skandals".
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das Urteil vom 11.12.2018, das 19.12.2018 zugestellt worden ist, hat der Kläger durch Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 18.1.2019 fristgemäß Berufung eingelegt.
Nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist am 19.2.2019 hat der Kläger mit Schriftsatz vom 21.2.2019, der am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, beantragt, die Berufungsbegründungsfrist bis zum 21.3.2019 zu verlängert. Auf den Antrag hat der Senat unter dem 22.2.2019 darauf hingewiesen, dass eine Verlängerung nicht mehr in Frage kommt, da die Berufungsbegründungsfrist bereits abgelaufen sei. Es sei deshalb beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
Mit Schriftsatz vom 14.3.2019 (Bl. 706 ff. d.A.) hat der Kläger gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung beantragt. Wegen der Begründung wird auf den Schriftsatz verwiesen. Unter dem 19.3.2019 hat der Kläger die Berufungsbegründungsschrift eingereicht.
II. Die Berufung des Klägers war gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen. Sie ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der bis 19.2.2019 laufenden Berufungsbegründungsfrist, sondern erst am 19.3.2019 begründet worden ist.
Eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist aufgrund des bei Gericht am 21.2.2019 eingegangen Antrags des Klägers war nicht mehr möglich, da der Verlängerungsantrag erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangen war.
Der Antrag vom 14.3.2019 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Berufungsbegründungsfrist ist nach § 236 ZPO zulässig, aber unbegründet.
Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war. Diese Voraussetzung ist vorliegend zu verneinen, denn den Kläger und seine Prozessbevollmächtigten, deren Verschulden sich der Kläger gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss, trifft ein Verschulden an der Fristversäumung.
Zu den Aufgaben eines Rechtsanwalts gehört es, wegen der verfahrensrechtlichen Bedeutung von Fristen dafür Sorge zu tragen, dass ein fristgebundener Schriftsatz wie die Berufungsbegründungsschrift fristgemäß bei dem zuständigen Gericht eingereicht wird. Nach allgemeiner Meinung darf der Rechtsanwalt dabei einfache Verrichtungen, die keine juristische Schulung verlangen, zur Erledigung seinem sorgfältig ausgewählten, ausreichend geschulten und zuverlässigen Personal übertragen. Zu solchen Verrichtungen gehört auch die Notierung, Überwachung und Einhaltung von Fristen (Zöller/Greger ZPO, 32. Auflage, § 233 Rn. 23 Stichwort "Büropersonal und -organisation" - mit weiteren Nachweisen). Von dem Rechtsanwalt wird dabei verlangt, dass er sein Büro so organisiert, dass Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen ausgeschlossen werden.
Die Fristenprüfung obliegt aber dem Rechtsanwalt wieder selbst, wenn ihm die Akten z.B. im Zusammenhang mit einer befristeten Prozesshandlung wieder vorgelegt werden (vgl. Zöller/Greger ZPO, 32. Auflage, § 233 Rn. 23 Stichwort "Fristenbehandlung" - mit weiteren Nachweisen).
Hier hätte deshalb Rechtsanwältin A spätestens bei Vorlage der Sache zur Fertigung der Berufungsschrift vom 18.1.2019 überprüfen müssen, ob die Frist für die Berufungsbegründung von ihrer Gehilfin richtig notiert worden war. Nach dem Vortrag des Klägers hatte nämlich die Gehilfin C das per beA übersandte Urteil ausgedruckt, die Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist berechnet und auch auf einer Kopie des Urteils vermerkt. Anschließend soll sie das Dokument mit den darauf vermerkten Fristen Rechtsanwältin A zur weiteren Bearbeitung vorgelegt haben. Bei dieser Gelegenheit - oder spätestens bei Fertigung der Berufungsschrift unter dem 18.1.2019 - hätte dieser dann auffallen müssen, dass die Frist für die Berufungsbegründung von der Gehilfin falsch notiert worden war.
Selbst wenn der Fehler bei dieser Gelegenheit unbemerkt geblieben wäre, hätte Rechtsanwältin A bei Vorlage der Akten zur Fertigung der Berufungsbegründung - bzw. Stellung eines Verlängerungsantrags - anlässlich der Vorfrist am 14.2.2019 erneut Gelegenheit gehabt, den zutreffenden Fristablauf am 19.2.2019 zu erkennen. Dass ihr die Akten zu diesem Zeitpunkt nicht erneut vorgelegt wurden, ergibt sich nich...