Entscheidungsstichwort (Thema)

Herausgabe einer notariellen Vollmachtsurkunde

 

Leitsatz (amtlich)

§ 47 FamFG schützt das Vertrauen im Rechtsverkehr auf den Bestand einer wirksam gewordenen Gerichtsentscheidung.

 

Normenkette

BGB § 1896 Abs. 2 S. 2; FamFG §§ 47, 303 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 03.09.2021; Aktenzeichen 2-30 O 126/20)

 

Tenor

Auf den Hinweis wurde die Berufung zurückgenommen

In dem Rechtsstreit

...

weist der Senat auf seine Absicht hin, die Berufung der Beklagten gegen das am 3. September 2021 verkündete Teilurteil der 30. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Die Beklagte hat Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 21. Dezember 2021.

 

Gründe

I. Der Senat ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen einer Beschlussentscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen. Insbesondere erachtet er die Berufung als offensichtlich unbegründet (1 und 2) und hält eine mündliche Verhandlung nicht für geboten (3).

1. Die Parteien streiten u. a. um einen Anspruch der Klägerin auf Herausgabe einer notariellen Vollmachtsurkunde.

Bei der Klägerin handelt es sich um die Mutter der Beklagten. Der Ehemann der Klägerin und Vater der Beklagten ist am XX.XX.2019 verstorben. Die Beklagte ist kinderlos. Die Klägerin hat eine weitere Tochter, die Zeugin A. Diese hat vier volljährige Kinder.

Am 12. September 2017 schenkten die Klägerin und ihr Ehemann ihren vier Enkelkindern jeweils EUR 100.000,-. Am 25. November 2019 überwies die Klägerin der Zeugin A einen Betrag in Höhe von EUR 35.000,-.

Unter dem 3. Dezember 2019 regte die Zeugin A beim Amtsgericht Stadt1 an, für die Klägerin eine Betreuung mit dem Aufgabenkreis "alle Angelegenheiten einschließlich Postangelegenheiten" einzurichten (BI. 1 der Betreuungsakten zum Aktenzeichen ...).

Am 19. Dezember 2019 erteilte die Klägerin der Beklagten bei der Notarin B mit Amtssitz in Stadt2 eine "Generalvollmacht mit Altersvorsorgevollmacht".

Mit dieser Vollmacht wurde die Beklagte berechtigt, "sämtliche Angelegenheiten" der Klägerin wahrzunehmen. Die Beklagte war danach befugt, für die Klägerin "in gesetzlicher Weise ohne Einschränkung jede rechtliche bedeutsame Handlung vorzunehmen", die von der Klägerin und ihr gegenüber nach dem Gesetz wahrgenommen werden könnte, und zwar mit derselben Wirkung, wie wenn die Klägerin selbst gehandelt hätte. Die Beklagte wurde zudem von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Die Vollmacht "ist stets widerruflich". Sie "gilt nur, wenn die Bevollmächtigte eine Ausfertigung der Vollmacht vorlegen kann".

Die Notarin nahm in die notarielle Urkunde den Satz auf, dass sie sich durch die mit der Klägerin geführte "ausführliche Erörterung" vergewissert habe, dass die Klägerin "voll geschäftsfähig" sei.

Wegen des näheren Inhalts der Vollmachtsurkunde wird auf die von der Beklagten als Anlage B 1 zu den Akten gereichte Kopie der Urkunde Nr. ... der Notarin B Bezug genommen (BI. 31 ff. d. A.).

Am 7. Februar 2020 und am 4. März 2020 nahm die Beklagte insgesamt drei Abhebungen vom Girokonto der Klägerin vor. Es handelt sich um Einzelbeträge in Höhe von EUR 100.000,- am 7. Februar 2020, von EUR 7.000,- am 4. März 2020 und von EUR 43.000,- ebenfalls am 4. März 2020.

Unter dem 5. März 2020 stellte die Klägerin eine Quittung über den Erhalt eines Betrages in Höhe von EUR 52.000,- "in bar" aus (Anlage B 2, Bl. 37 d. A.).

Am 10. März 2020 ließ die Beklagte bei dem Notar C in Stadt2 einen Grundstücksübergabevertrag ohne Auflassung notariell beurkunden (Urkundenrolle Nr. ...). Dabei handelte sie sowohl im eigenen Namen als auch - aufgrund der Vollmacht vom 19. Dezember 2019 - für die Klägerin. Gegenstand des Grundstücksübergabevertrages war die unentgeltliche unbedingte Übertragung eines halben Miteigentumsanteils an dem Grundstück Straße1 in Stadt2-Stadtteil1 im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Unter dem 27. März 2020 wurde bei der Grundbuchabteilung des Amtsgerichts Stadt1 - eine entsprechende Auflassungsvormerkung eingetragen.

Unter dem 11. März 2020 erstattete der Zeuge D im Betreuungsverfahren ... (Amtsgericht Stadt1) ein Gutachten (Bl. 166 ff. d. A. des Verfahrens ...). Er diagnostizierte eine dementielle Symptomatik bei der Klägerin (S. 11) und führte aus, dass sie für alltagsfähige Geschäfte durchaus als geschäftsfähig anzusehen sei, nicht jedoch für "die Bewältigung der anstehenden Aufgaben zur Klärung des Nachlasses" (S. 14).

Mit Beschluss vom 18. März 2020 bestellte das Amtsgericht Stadt1 durch eine einstweilige Anordnung Rechtsanwalt E, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin im hiesigen Verfahren, zum vorläufigen Betreuer der Klägerin mit dem Aufgabenkreis "Vermögenssorge einschließlich Immobilienangelegenheiten, Postangelegenheiten sowie den Widerruf von Vollmachten". Das Amtsgericht führte u. a. aus, dass die Klägerin aufgrund einer Krankheit bzw. Behinderung nicht in der Lage sei, ihre näher beschriebenen Angelegenheiten selbst zu besorgen. Mit einem Aufschub sei eine Gefahr für die Betrof...

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