Leitsatz (amtlich)

1. Hat das Ausgangsgericht bei seiner Nichtabhilfeentscheidung über die sofortige Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe einen Schriftsatz des Antragstellers nicht zur Kenntnis genommen, steht es bei Entscheidungsreife im Ermessen des Beschwerdegerichts, ob es ohne Zurückverweisung selbst in der Sache entscheidet.

2. Unter das sog. Richterspruch des § 839 Abs. 2 BGB fallen keine Beschlüsse über die Gewährung von Prozesskostenhilfe.

3. Wegen fehlerhafter Prozesskostenhilfebeschlüsse kommt eine Amtshaftung (Art. 34 GG/§ 839 BGB) nur bei besonders groben Verstößen in Betracht, d.h. bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit, bei Unvertretbarkeit der richterlichen Rechtsansicht.

4. Einzelfall verneinter grober Verstöße bei Nichtgewährung von Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen eine gesamtschuldnerisch in Anspruch genommene Hebamme.

 

Normenkette

ZPO §§ 114, 567, 572; BGB §§ 823, 839 Abs. 2; GG Art. 34

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 19.02.2010; Aktenzeichen 2/4 O 599/09)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. vom 19.2.2010 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der am ... 1977 um ... Uhr geborene Antragsteller begehrt mit seinem am 29.12.2009 eingegangenen Antrag wegen einer bei der Geburt erlittenen Schädigung Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Amtshaftungsklage wegen Versagung von Prozesskostenhilfe für den Berufungsrechtszug und Verwerfung einer Berufung durch den 8. Zivilsenat des OLG Frankfurt (im Folgenden als "Vorprozess" bezeichnet). Die dortige Beklagte war die Hebamme A, welche die Mutter des Antragstellers ab deren Eintreffen im Kreiskrankenhaus O1 in der Zeit von ... Uhr oder ... bis zur Übergabe an eine andere Hebamme um ... Uhr betreut hatte.

Der Antragsteller kam unter erheblichen Komplikationen zur Welt; es bestand aufgrund einer Asphyxie (Atemlähmung) der Zustand einer infantilen Cerebralparese (Gehirnlähmung), die beim Antragsteller eine erhebliche Störung der Fein- und Grobmotorik und der Sprache zur Folge hat.

In einem dem Verfahren gegen die Hebamme A vorangehenden ersten Rechtsstreit (im Folgenden als "erster Rechtsstreit" bezeichnet) waren der Gynäkologe Dr. B, welcher anlässlich der Geburt des Antragstellers tätig wurde, und die ab ... Uhr tätige Hebamme C durch Urteil des LG Hanau vom 10.3.1993 - Az ... - (Anl ... d.A.) als Gesamtschuldner zu erheblichen Zahlungen an Schmerzensgeld und Schadensersatz an ihn wegen vermehrter Bedürfnisse einschließlich einer monatlichen Mehrbedarfsrente verurteilt worden. Die hiergegen eingelegte Berufung des Gynäkologen wurde zurückgewiesen; auf die Berufung der Hebamme wurde die gegen sie gerichtete Klage abgewiesen mit der Begründung, sie habe zwar nach dem damals eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten der Mutter des Antragstellers ein Wehenhormon zu spät und in einer zu hohen Anfangsdosis verabreicht sowie in zu hohem Maße atemdepressive Medikamente gegeben, die Ursächlichkeit dieser Fehler stehe aber angesichts der vom Gynäkologen zu vertretenden weiteren geburtshilflichen Behandlungsfehler nicht mit hinreichender Sicherheit fest (Urteil des 8. Zivilsenats des OLG Frankfurt vom 29.3.1994 - Az ... -, Anl ... d.A.).

Die hiergegen vom Gynäkologen als Streithelfer für den damaligen Kläger eingelegte Revision nahm der BGH nicht zur Entscheidung an (Beschl. v. 7.3.1995 - VI ZR 162/94 -, Anl ... d.A.).

Aufgrund eines Abfindungsvergleichs vom ... 1996 zahlten der Gynäkologe und seine Haftpflichtversicherung unter Abgeltung aller Schadensersatzansprüche bekannter oder nicht bekannter Art auch für die Zukunft einen Betrag von 800.000 DM nebst Zinsen, insgesamt 957.000 DM (Vergleichstext in der Akte des Vorprozesses Az ... LG Hanau, Anl ... d.A.). Von diesem Geld ist nichts mehr vorhanden.

Mit dem Vorprozess nahm der Antragsteller die Hebamme A auf Feststellung der Schadensersatzpflicht und Zahlung einer monatlichen Mehrbedarfsrente in Anspruch, die aufgrund gestiegenen Mehrbedarfs deutlich höher anzusetzen sei als die ursprünglich ausgeurteilte Rente. Auf diese neue Mehrbedarfsrente wollte er sich den ursprünglich festgesetzten monatlichen Rentenbetrag solange anrechnen lassen, bis die gezahlte Vergleichssumme - unter Vorwegabzug anderer Schadenspositionen - rechnerisch erschöpft war (s. Klagebegründung im Vorprozess v. 29.12.2004, Bl. 18, 30 der dortigen Akten).

Mit Urteil vom 27.4.2006 wies das LG Hanau die Klage im Vorprozess ab (Anl ... d.A). Mit Beschl. v. 25.9.2006 - Az ... - (Anl ... d.A.) versagte der 8. Zivilsenat Prozesskostenhilfe für eine Berufung gegen dieses Urteil; die hiergegen gerichtete Gehörsrüge hatte keinen Erfolg (Beschluss vom 15.11.2006, Anl ... d.A.). Die vorsorglich eingelegte Berufung wurde mangels rechtzeitiger Begründung durch Beschluss vom 15.11.2006 (Anl ... d.A.) verworfen.

Der Antragsteller macht geltend, die Versagung der Prozesskostenhilfe durch den 8. Zivilsenat stel...

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