Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage der Befangenheit eines Richters, der in einem früheren Verfahren als bevollmächtigter Rechtsanwalt für eine Partei einen bestimmenden Schriftsatz als Urlaubsvertreter der damaligen und auch aktuellen sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten der Partei unterzeichnete und bei Gericht einreichte
Normenkette
ZPO § 42; FamFG § 113 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Offenbach (Beschluss vom 24.06.2010; Aktenzeichen 309 F 1873/09) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers gegen den Richter X wird für begründet erklärt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind Teil der Kosten des Hauptsacheverfahrens.
Gründe
Der Antragsteller hat zu Beginn der mündlichen Verhandlung vom 19.5.2010 den Richter X, dienstansässig beim AG Offenbach am Main, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
Der abgelehnte Richter war früher als Rechtsanwalt in der Sozietät tätig, die im vorliegenden Güterrechtsverfahren die Antragsgegnerin vertritt. Sachbearbeitende Anwältin ist Frau Rechtsanwältin Y. Mit Schriftsatz vom 6.7.2005 an das AG Offenbach am Main leitete damals die Antragsgegnerin das Scheidungsverfahren ein. Die Antragsschrift bezeichnete im Rubrum alle Anwälte der Sozietät, einschließlich des abgelehnten Richters, als Prozessbevollmächtigte. Unterzeichnet wurde der Schriftsatz von dem abgelehnten Richter ohne besondere Vertretungshinweise auf einen anderen Sachbearbeiter. Mit der beigefügten Prozessvollmacht wurde nachgewiesen, dass sämtliche Mitglieder der Sozietät bevollmächtigt worden waren. Sachbearbeitende Rechtsanwältin war auch damals Frau Rechtsanwältin Y. Die Unterzeichnung der Antragsschrift erfolgte, weil der abgelehnte Richter intern ihr Urlaubsvertreter war. Inhaltlich war er mit den Ausführungen in der Antragsschrift nicht befasst, auch waren ihm die Parteien persönlich nicht bekannt. Auf diesen Tatbestand wies der abgelehnte Richter die Parteien im vorliegenden Verfahren hin, hielt sich selbst aber nicht für befangen und sah auch keine Notwendigkeit für eine Selbstablehnung.
Mit Beschluss vom 24.6.2010 hat das AG das Befangenheitsgesuch als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen hat der Antragsteller am 2.7.2010 sofortige Beschwerde eingelegt. Mit Verfügung vom 20.7.2010 hat das AG eine Abhilfe abgelehnt und die Vorlage der Beschwerde an das OLG Frankfurt verfügt.
Die in der Familienstreitsache (§ 112 Nr. 2 FamFG) nach § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 46 Abs. 2, 567 ff. ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Für das Beschwerdeverfahren ist gemäß Art. 112 i.V.m. Art. 111 Abs. 1 FGG-RG das seit 1.9.2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil bereits das erstinstanzliche Hauptsacheverfahren nach diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist.
In der Sache hat die Beschwerde Erfolg.
Nach § 113 Abs. 1 FamFG, § 42 ZPO kann ein Richter, sofern er nicht kraft Gesetztes von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen ist, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 ZPO). Da eine solche Ablehnung die Ausnahme von dem Grundsatz darstellt, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf, sind die Vorschriften der §§ 42 ff. ZPO eng auszulegen. Es müssen objektive Gründe vorgetragen und glaubhaft gemacht sein, die vom Standpunkt eines Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung und ruhiger und besonnener Abwägung die Befürchtung erwecken können, der Richter stehe der Partei oder der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. Zöller, ZPO, § 42 Rz. 9).
Ein solcher triftiger Grund, der aus der Sicht des Antragstellers bei Anlegung eines objektiven Maßstabs geeignet erscheint, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu rechtfertigen, liegt nach Auffassung des Senats vor.
Das Ablehnungsgesuch gegen den Richter ist nicht bereits aufgrund eines gesetzlichen Ausschlussgrundes begründet, denn die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1, Alt. 1 ZPO i.V.m. § 41 Nr. 4 ZPO sind nicht erfüllt. Danach ist ein Richter kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramtes in Sachen ausgeschlossen, in denen er als Prozessbevollmächtigter einer Partei bestellt gewesen ist. Hierbei spielt es keine Rolle, ob er alleiniger Vertreter war oder ob er in seiner Vertretereigenschaft überhaupt inhaltlich tätig wurde (BGH, I ZR 58/00, Beschl. vom 5.3.2001; MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 41 Rz. 20). Insofern käme es nicht darauf an, ob der neben den anderen Anwälten bevollmächtigte abgelehnte Richter als Sachbearbeiter oder nur aufgrund Urlaubsvertretung tätig wurde.
§ 41 Nr. 4 ZPO gilt nach seinem Wortlaut aber nur, wenn der frühere Prozessbevollmächtigte in der gleichen Sache nunmehr als Richter tätig werden wollte. Allerdings erschöpft sich der Sinn dieser Vorschrift, wie der BGH zum inhaltsgleichen § 22 Nr. 4 StPO bereits ausgeführt hat (BGHSt 28, 262-266), nicht nur darin, d...