Leitsatz (amtlich)
1. Zur Darlegungs- und Beweislast eines Berufungsklägers, der sich gegen die drohende Verwerfung seiner Berufung wegen Versäumung der Berufungsfrist wendet, indem er behauptet, der Datumsstempelabdruck neben der Unterschrift seines Prozessbevollmächtigten auf dem Empfangsbekenntnis, mit dem dieser den Erhalt des angefochtenen Urteils bestätigt, stamme nicht aus dessen Kanzlei; tatsächlich sei das Urteil erst später zugestellt worden.
2. Zu den nach § 236 Abs. 2 ZPO erforderlichen Darlegungen in einem Wiedereinsetzungsantrag.
Normenkette
ZPO §§ 233, 236, 519
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 19.05.2005; Aktenzeichen 2-23 O 151/05) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Frankfurt/M. vom 19.5.2005 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung einschließlich der Wiedereinsetzung zu tragen.
Der Gebührenstreitwert für die Berufung wird auf 192.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Darlehensvertrages, mit dem er einen Immobilienerwerb finanzierte.
Mit Urt. v. 19.5.2005 hat das LG der Klage abgewiesen. Ausweislich des Empfangsbekenntnisses (EB) wurde das Urteil der Beklagtenvertreterin am Freitag, den 20.5.2005, zugestellt (Bl. 216 d.A.). Von dem Klägervertreter liegt ein Empfangsbekenntnis vor, dass rechts neben seiner Unterschrift den Stempelabdruck "20.5.2005" trägt (Bl. 217 d.A.).
Gegen das Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigen vom 20.6.2005 Berufung eingelegt. Dieser Schriftsatz ist bei Gericht am Dienstag, den 21.6.2005, eingegangen.
Anlässlich der beantragten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist hat das Berufungsgericht den Klägervertreter unter dem 15.7.2005 darauf hingewiesen, dass die am 20.6.2005 ablaufende Berufungsfrist nicht eingehalten sein dürfte.
Mit Schriftsatz vom 21.7.2005 (Bl. 255 d.A.) hat der Klägervertreter daraufhin hilfsweise beantragt, dem Kläger gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Wegen der Begründung wird auf den Inhalt des Schriftsatzes verwiesen.
Mit weiterem Schriftsatz vom 22.7.2005 (Bl. 252 d.A.) hat der Klägervertreter versichert, dass das angefochten Urteil erst am 22.5.2005 zugestellt worden sei.
Auf einen weiteren Hinweis des erkennenden Senats vom 8.8.2005 (Bl. 259 R d.A.), dass das EB des Klägervertreters, mit dem die Zustellung des angefochtenen Urteils bestätigt werden, das Datum 20.5.2005 ausweise, hat sich der Klägervertreter dahin eingelassen, dass der auf dem EB abgebildete Stempel nicht in seiner Kanzlei gesetzt worden sei. Ein Stempel mit diesem Schriftzug und in dieser Schriftart sei in seinem Büro nicht vorhanden. Er habe ausführlich alle Arbeitsplätze durchsucht und alle in seinem Büro befindlichen Datumsstempel ausprobiert; keiner der vorhandenen Datumsstempel stimme mit dem Stempel auf dem EB überein. Im Übrigen befinde sich auf der in seiner Akte enthaltenen Kopie des EB kein Stempelaufdruck. Dies sei ein Indiz dafür, dass das EB sein Büro ohne Datumsstempel verlassen haben.
II.1. Die Berufung der Beklagten ist gem. § 522 Abs. 1 Nr. 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der hier am 20.6.2005 ablaufenden Frist des § 517 ZPO begründet wurde. Gemäß dem Stempelaufdruck auf dem EB des Klägervertreters ist davon auszugehen, dass ihm das Urteil bereits am 20.5.2005 zugestellt wurde, denn grundsätzlich ist bei der Zustellung gegen EB von der Datierung durch den Anwalt auszugehen (Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl., § 519 Rz. 20). Die erst am 21.6.2005 eingegangene Berufungsschrift war damit verfristet.
Soweit der Klägervertreter geltend macht, das Urteil sei ihm tatsächlich erst am 22.5.2005 zugestellt worden und der Stempelaufdruck auf dem EB sei nicht in seiner Kanzlei gesetzt worden, vermag der Senat dem nicht zu folgen, denn der insoweit ihm obliegende Beweis für die Fristwahrung (Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl., § 519 Rz. 20) ist dem Kläger nicht gelungen.
So hält es der Senat für ausgeschlossen, dass der fragliche Stempelaufdruck erst nachträglich auf der Post- oder Geschäftsstelle des LG aufgebracht wurde. Dies wäre jedoch die einzige Alternative, folgte man der Sachdarstellung des Klägervertreters. Nach Auskunft der zuständigen Geschäftsstelle der 23. Zivilkammer des LG werden von dort zurückkommende EB grundsätzlich nicht gestempelt, und zwar auch dann nicht, wenn der empfangende Rechtsanwalt selbst vergessen hat, ein Empfangsdatum einzutragen. Nach weiterer Auskunft der zuständigen Geschäftsstellenkräfte bringt die Poststelle des LG in Ausnahmefällen einen Eingangsstempel an. In diesem Fall wird jedoch ausschließlich im oberen Bereich des EB ein Eingangsstempel des Gerichts aufgebracht, der als solcher erkennbar ist. Einen solchen Stempel weist das fragliche EB indes nicht auf.
Selbst wenn man jedoch der Vermu...