Leitsatz (amtlich)
1. Erleidet ein moderner Mittelklassewagen bei einem Kilometerstand von nur 88.000 einen schweren Motorschaden und war der Motor ausreichend mit Schmier- und Kühlmittel befüllt, dann spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Motorschaden in einem technischen Mangel des Wagens angelegt war.
2. "Bedienungsfehler" sind als Ursache eines sog. "Kolbenfressers" unter den heutigen technischen Bedingungen nicht ernstlich in Erwägung zu ziehen.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1-2, § § 437 Nr. 3
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 13.08.2004; Aktenzeichen 3 O 604/03) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Darmstadt vom 13.8.2004 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1. Der Beklagte - der gewerblich mit gebrauchten Kraftfahrzeugen handelt - verkaufte dem Kläger am 6.3.2003 einen ..., das Fahrzeug wies einen Kilometerstand von 80.146 auf und war im Januar 1999 erstzugelassen worden.
Am 20.7.2003 erlitt der Wagen bei einem Kilometerstand von nunmehr ca. 88.000 einen schwerwiegenden Motorschaden ("Kolbenfresser"). Nachdem der Beklagte sich zunächst um die Beschaffung eines Austauschmotors bemüht, dem Kläger den Wagen später aber wieder zurückgegeben hatte, ließ der Kläger einen Austauschmotor einsetzen und zahlte hierfür 5.107,02 EUR.
Das LG hat den Beklagten zum Ausgleich dieses Betrages verurteilt. Wegen der von ihm gefundenen Gründe sowie der tatbestandlichen Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im Urt. v. 13.8.2004 Bezug genommen.
Mit der Berufung trägt der Beklagte vor, es sei ungeklärt geblieben, was die Ursache des Motorschadens gewesen sei. Der Kläger habe den Nachweis einer außerhalb des Motors liegenden Schadensursache dadurch vereitelt, dass er den beschädigten Motor im Austausch abgegeben habe.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des LG Darmstadt vom 13.8.2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des zweitinstanzlichen Parteivortrages im Einzelnen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
2. Die Berufung ist unbegründet. Das LG hat den Beklagten zu Recht zum Ersatz der dem Kläger aus dem Austausch des Motors entstandenen Aufwandes verurteilt. Denn der gekaufte Wagen war zum Zeitpunkt der Übergabe - zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs (§ 446 BGB) - mangelhaft, und der Kläger kann deshalb Schadensersatz in Gestalt des Betrages verlangen, der zur Herstellung eines mangelfreien Zustandes - hier: durch Austausch des defekten Motors - erforderlich war (§§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 281 Abs. 1, 2 BGB).
In Übereinstimmung mit der vom LG gefundenen Bewertung zweifelt das Berufungsgericht nicht daran, dass der bald - innerhalb von etwa dreieinhalb Monaten - nach Übergabe des Wagens offenbar werdende Motorschaden bereits bei Übergabe im Wagen selbst angelegt war, der Wagen damit nicht die Beschaffenheit aufwies, die der Käufer - der Kläger - erwarten durfte.
Erwarten durfte der Kläger von dem modernen Mittelklassewagen mit Dieselmotor ohne weiteres, dass der Motor eine Kilometerleistung in deutlich sechsstelligem Umfang völlig problemlos erbringen würde. Wenn das - der Kilometerleistung angemessen - vier Jahre alte Fahrzeug bei einem Kilometerstand von ca. 88.000 unvermittelt einen schweren Motorschaden erlitt, und wenn - dazu sogleich - nichts auf ein schadensursächliches Fehlverhalten des Benutzers deutet, spricht schlicht die Lebenserfahrung dafür, dass dieser Motorschaden im technischen Zustand des Wagens selbst angelegt war; was der exakte technische Ursachenzusammenhang war, kann - deshalb - dahinstehen.
Irgendwelche Fehlleistungen des Benutzers selbst sind auch nicht im Ansatz dargetan. Dass der Wagen nicht ohne ausreichende Schmierung betrieben wurde, hat das LG festgestellt; wenn es sich dabei auf die Bekundungen vor allem des Zeugen Z1 - der nach dem Ausfall des Motors den Ölstand überprüft hat - bezogen hat, dann sieht das Berufungsgericht nichts, was die Richtigkeit der vom LG getroffenen Feststellungen in Frage stellen könnte; insoweit hat auch der Beklagte im Berufungsverfahren keine weiterführende Überlegung angestellt.
Ebenso wenig hat sich auch nur der geringste Hinweis darauf ergeben, der Kläger habe den Wagen ohne ausreichende Befüllung mit Kühlmittel betrieben. Immerhin war der Wagen kurz vor Schadenseintritt zur Inspektion in einer Werkstatt.
Irgendwelche "Bedienungsfehler" des Benutzers - des Klägers oder seiner Ehefrau - stehen als Schadensursache nicht ernstlich im Raume. Angesichts der Einfachheit der technischen Bedienung eines Kraftwagens und des heutigen Standes der Technik wäre die Annahme, ein Kolbenfresser könne durch "Bedienungsfehler" - durch Fehler beim Fahren - verursacht werden, eine rein theoretische - veraltete - Vorstellung.
Sämtlich weiteren Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 281 Abs. 1, 2 BGB sind...