Leitsatz (amtlich)

Kein Eingriff in den Schutzbereich eines urheberrechtlich geschützten Kinderhochstuhles bei ausreichendem Abstand des Gesamteindruckes eines Konkurrenzmodels.

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-6 O 813/06)

BGH (Aktenzeichen I ZR 59/08)

 

Gründe

I.

Die Klägerin stellt her und vertreibt den Kinder-Hochstuhl "A". Die Beklagte produziert und vertreibt ebenfalls Kinder-Hochstühle. Sie bietet u. a. einen Hochstuhl unter der Bezeichnung "X" an. Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung ihrer Schadensersatzverpflichtung wegen des Vertriebs dieses Stuhlmodells unter Berufung auf Urheber-, Marken- und Wettbewerbsrecht in Anspruch (§§ 97 UrhG, 14 Abs. 2 Ziff. 3 MarkenG, 4 Ziff. 9 a und b, 9 UWG). Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz und der Abbildung des Verletzungsmodells wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, wegen des Klagemodells auf die Anlage K 3 zur Klagebegründung Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat offen gelassen, ob die Klägerin als ausschließliche Lizenznehmerin zur Geltendmachung der Ansprüche aktivlegitimiert, insbesondere ob sie Rechtsnachfolgerin der B ist. Es hat dem Klagemodell Urheberrechtsschutz als Werk der angewandten Kunst zugebilligt (§ 2 Abs. 1 Ziff. 4 Urhebergesetz), aber gemeint, das angegriffene Modell der Beklagten verletze das urheberrechtliche Verwertungsrecht an dem "A"-Stuhl nicht, weil es sich lediglich um eine freie Benutzung im Sinne von § 24 UrhG handele. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin.

Sie trägt vor, bei dem Stuhl "X" der Beklagten handele es sich nicht um eine freie Benutzung des "A"-Stuhles, sondern um ein bewusstes Plagiat. Der Stuhl kopiere sämtliche den "A" prägende Gestaltungsmerkmale, ohne eine eigenständige urheberrechtsschutzfähige Gestaltungshöhe zu erreichen. Bereits deshalb könne es sich nicht um eine freie Benutzung handeln. Die eigenpersönlichen Züge des "A" verblassten bei der Betrachtung des "X"-Stuhls nicht, sondern vermittelten einen hochgradig ähnlichen Gesamteindruck. Dies beruhe insbesondere darauf, dass

- die Seitenholme des angegriffenen "X"-Stuhls im exakt gleichen Winkel diagonal von vorne unten nach hinten oben wie die des "A" verliefen;

- beide Stühle wesentlich durch die Parallelität der Linienführung geprägt seien;

- das gestalterische Prinzip der Parallelität wie beim "A" durch die in gleichem Abstand zueinander befindlichen Nuten verstärkt werde;

- das den "A" prägende Prinzip der Dualität (zwei Stützstreben, zwei Sitz- bzw. Fußflächen, zwei Holzleisten zwischen den jeweiligen Seitenholmen und den Stützstreben sowie zwei seitliche Querverstrebungen zwischen den Seitenholmen) übernehme und betone;

- das den Gesamteindruck mitprägende Wechselspiel zwischen geraden und gerundeten Formen aufweise;

- die charakteristische Kombination von Holz und Metall übernehme;

und schließlich nahezu identische Abmessungen der Einzelkomponenten aufweise.

Die geringfügigen Unterschiede der Gestaltung seien nicht geeignet, die Annahme einer freien Benutzung zu rechtfertigen. Das Landgericht habe ferner unberücksichtigt gelassen, dass die Beklagte bereits seit vielen Jahren Plagiate des "A" anbiete, die schrittweise von der Originalform abwichen, wobei aber jedes Modell für sich ihre, der Klägerin, Urheberrechte verletze. Diese Entwicklung spiele nicht nur im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung eine Rolle, sondern sei auch bei der urheberrechtlichen Wertung zu berücksichtigen. Die Vorgehensweise der Beklagten bewirke, dass der Betrachter die wiederholte und systematische Anlehnung an den bekannten "A" Stuhl wahrgenommen habe und auch den aktuellen Stuhl der Beklagten als Nachahmung erkenne. Da der Verkehr die Form des "A" als Marke auffasse, liege auch eine Verletzung ihrer Markenrechte vor. Schließlich könne sie, die Klägerin, sich auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche unter dem Gesichtspunkt der sklavischen und systematischen Nachahmung, der unmittelbaren Leistungsübernahme, der Herkunftstäuschung und der Rufausbeutung sowie der Ausnutzung eines fremden Markenerfolges und der Absatzbehinderung berufen.

Die Klägerin beantragt:

I. Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23. Mai 2007 (2/6 O 813/06) wird aufgehoben.

II. Der Beklagten wird bei Meidung eines vom Gericht in jedem Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €, Ordnungshaft zu vollziehen an den Geschäftsführern der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten, höchstens zwei Jahre)

verboten,

in der Bundesrepublik Deutschland Kinder-Hochstühle anzubieten, zu bewerben, zu verkaufen und/oder sonst in den Verkehr zu bringen, wie aus der Anlage zum Tenor ersich...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge