Entscheidungsstichwort (Thema)
Chip-tuning als nichtvertragsgemäße Abnutzung der Leasingsache
Leitsatz (amtlich)
1. Eine herstellerfremde Leistungssteigerung eines Leasingfahrzeuges (sog. Chip-tuning) begründet auch dann eine übermäßige, nicht vertragsgemäße Abnutzung der Leasingsache, wenn sie nur vorübergehend für einen nicht ganz unerheblichen Zeitraum im Gebrauch und bei der Rückgabe wieder aufgehoben war.
2. Die Bemessung des merkantilen Minderwertes des Leasingfahrzeuges im Wege der Schätzung gem. § 287 Abs. 2 ZPO erfolgt in Fällen übermäßigen Verschleißes nicht abstrakt mit einem Bruchteil des vereinbarten Restwertes, sondern unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung und der Höhe von voraussichtlichen Reparaturkosten.
Normenkette
ZPO § 287 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 11.07.2013; Aktenzeichen 3 O 60/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des LG Darmstadt vom 11.7.2013 (Az. 3 O 60/11) teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1408,92 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 10.6.2010 sowie vorgerichtliche Inkassokosten von 135 EUR nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 19.3.2011 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 80 % und die Beklagte 20 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei darf die Zwangsvollstreckung der anderen Partei gegen Sicherheitsleistung von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten aus abgetretenem Recht auf Ausgleich einer Wertminderung des Leasinggegenstandes nach regulärer Beendigung eines Leasingvertrages in Anspruch. Grundlage hierfür ist der Leasingvertrag vom 21.8.2006 (Anl. K1, K2) in Verbindung mit der Übernahmevereinbarung vom 29.7.2007 (Anl. K3). In der Leasingvereinbarung war ein Restwert von 55,88 % des Anschaffungspreises (55.480 EUR netto) angegeben und mit dem Hinweis versehen, dass der angegebene Restwert nur bei vorzeitiger Vertragsbeendigung von Bedeutung ist.
Die Parteien streiten insbesondere darum, ob das von der Beklagten im Wege der Vertragsübernahme übernommene Leasingfahrzeug ... vorübergehend mit einem sog. Chip-tuning zur Leistungssteigerung des Motors versehen war und ob und in welchem Umfang dies eine Minderung des vertraglich vereinbarten Rücknahmewerts des Fahrzeugs begründet. Insoweit sieht die Leasingvereinbarung vor (XVI.), dass der Leasingnehmer das Fahrzeug nach Beendigung des Leasingvertrages in einem dem Alter und der vertragsgemäßen Fahrleistung entsprechenden Erhaltungszustand, frei von Schäden sowie verkehrs- und betriebssicher zurückzugeben hat. Für den Fall, dass das Fahrzeug diesem Zustand nicht entspricht und hierdurch im Wert gemindert ist, ist der Leasingnehmer zum Ausgleich dieses Minderwertes zzgl. Umsatzsteuer verpflichtet (XVI. Nr. 3). Die Leasinggeberin hat entgegen XVI. Nr. 3 ihrer AGB vorprozessual kein Gutachten zum Umfang einer durch übermäßige Abnutzung begründeten Wertminderung eingeholt, sondern das Fahrzeug mit Vereinbarung vom 10.5.2010 (Anl. K. 14) zum Preis von 22.450,14 EUR netto an einen Vertragshändler veräußert.
Wegen der Einzelheiten zu den tatbestandlichen Feststellungen wird auf das Urteil des LG Darmstadt vom 11.7.2013 (Bd. II, Bl. 237 ff.) Bezug genommen. Das LG hat nach Beweisaufnahme auf einen Minderwert i.H.v. 7140 EUR erkannt und diesen nebst Nebenforderungen zugesprochen. Zur Begründung hat das LG u.a. ausgeführt, die infolge Abtretung aktiv legitimierte Klägerin könne einen Minderwert von 25 % des vereinbarten Restwertes (36.892,95 EUR brutto) beanspruchen, weil das Fahrzeug nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme während einer Laufleistung von 9000-10.000 km mit einem herstellerfremden Chip-tuning betrieben worden sei, welches bei Rückgabe beseitigt gewesen sei. Sachverständig beraten hat das LG festgestellt, dass die Kosten für eine vollständige Erneuerung der von einer Leistungssteigerung betroffenen Motor-und Antriebsteile 14.089,20 EUR brutto betragen. Auf die weitere Begründung des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer form-und fristgerechten Berufung und macht geltend, die Beweiswürdigung des LG beruht auf nicht hinreichend belegten Annahmen. Insbesondere die Aussage des Zeugen Z1 sei nicht tragfähig. Die Zedentin habe eine Begutachtung des Motors unterlassen und dadurch ein wesentliches Beweismittel beseitigt. Es stehe weder fest, dass eine derartige Leistungssteigerung vorgenommen sei, noch dass sie im Falle ihrer Vornahme negative Auswirkungen auf die Beschaffenheit des Fahrzeugs haben würde. Im Übrigen habe der Geschäftsführer der Beklagten von der behaupteten Leistungssteigerung ke...