Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Gründen, aus denen die Berufung auf eine Schiedsabrede rechtsmissbräuchlich sein kann.
2. Zur Frage, wann die Zahlung einer Betriebsrente "unzumutbar" sein kann.
3. Die Berufung auf die Sperrwirkung einer Schiedsklausel ist dann rechtsmissbräuchlich, wenn dieselbe Partei zuvor wegen desselben Streitgegenstandes im Verfahren vor dem Schiedsgericht dessen Kompetenz bemängelt und eine Entscheidung durch das staatliche Gericht verlangt hat. Dabei reicht es aus, dass sie dieses Verhalten nicht gegenüber der Gegenpartei des konkret anhängigen Verfahrens, sondern in einer genau gleichen Konstellation in einem Verfahren mit gleichgelagertem Streitgegenstand an den Tag gelegt hat.
4. Die Einrede der Schiedsvereinbarung ist darüber hinaus auch dann rechtsmissbräuchlich erhoben, wenn die sie erhebende Partei schlechterdings nichts vorträgt, was in einem Schiedsverfahren, würde es durchgeführt, materiell zu ihren Gunsten zu berücksichtigen sein würde.
5. Der Gegenpartei ist das Schiedsverfahren auch dann nicht zuzumuten, wenn sich die die Zuständigkeit des staatlichen Gerichts rügende Partei im Verfahren vor dem Schiedsgericht hinsichtlich der Vorschusszahlung als nicht zuverlässig erwiesen hat, indem sie sich ohne nachvollziehbare Begründung geweigert hat, den vom Schiedsgericht angeforderten Vorschuss für einen Sachverständigen zu leisten.
6. Die Erfüllung einer Ruhegehaltszusage kann nicht mit der Begründung verweigert werden, es hätten sich nach dem Erwerb der Anstellungsgesellschaft nicht vorhergesehene wirtschaftliche Risiken verwirklicht.
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Aktenzeichen 16 O 298/07) |
Gründe
Wegen der Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Die Beklagte verfolgt ihr erstinstanzliches Ziel einer Klageabweisung mit der Berufung weiter. Wegen ihres zweitinstanzlichen Vortrags verweist der Senat auf die Berufungsbegründung (Schriftsatz vom 17. 11. 2008, Bl. 221 ff. d. A.) sowie auf den Schriftsatz vom 5. 2. 2009 (Bl. 302 ff. d. A.), jeweils nebst Anlagen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Der Senat verweist wegen seines Vortrags auf seine Schriftsätze vom 15.10.2008 (Bl. 201 ff. d. A.) und vom 3. 1. 2009 (Bl. 293 ff. d. A.).
I. Die Berufung ist zulässig. Zwar ist die Berufungsschrift der Beklagten vom 9. 9. 2008 (Bl. 190f. d. A.) nicht Namens des Aufsichtsrats als des bei Klagen eines Vorstandsmitglieds durch § 112 AktG vorgeschriebenen gesetzlichen Vertreters der Gesellschaft, sondern Namens des jetzigen Vorstandes eingereicht worden. Die nachträgliche Genehmigung der Berufungseinlegung durch den Aufsichtsrat, die die Beklagte mit Anlage zum Schriftsatz vom 21. 10. 2008 (Bl. 209 d. A.) vorgelegt hat, heilt indes diesen Mangel (allgemeine Meinung, vgl. Nachweise dazu beispielsweise bei Spindler/Stilz, AktG, 2007, Rn 44 ff. zu § 112 AktG).
II. Die Berufung ist aber unbegründet. Ihr bleibt der Erfolg trotz der für die Entscheidung dieses Rechtsstreites an sich gegebenen, im Allgemeinen die Anrufung des staatlichen Gerichtes sperrenden Zuständigkeit eines Schiedsgerichts hier ausnahmsweise versagt.
1. Zwar erfasst schon die zwischen den Parteien im Vorstandsvertrag vom 17. 2. 1984 (Bl. 62 d. A.) geregelte Verpflichtung, in, wie seinerzeit geboten, gesonderter Urkunde eine Schiedsabrede zu treffen, "sämtliche Streitigkeiten unter diesem Vertrag oder sonst in Zusammenhang damit". Sinngemäß dasselbe steht über den Umfang der Schiedsabrede in dem Schiedsvertrag vom 28.2.1984 selbst (vgl. Bl. 41 d. A.). Das Altersruhegeld ergibt sich direkt aus diesem Vorstandsvertrag (dort § 8 ff., Bl. 59 f. d. A.) und steht somit in engem Zusammenhang mit diesem Vertrag. Die Auffassung des Landgerichts im angefochtenen Urteil (vgl. Bl. 167 d. A.), die Ausscheidensvereinbarung habe die Schiedsabrede beendet, ist nicht zutreffend. In der Ausscheidensvereinbarung vom 6. 8. 1991 wird die Ruhegehaltsregelung aus dem Vorstandsvertrag im Gegenteil ausdrücklich in Bezug genommen (vgl. Bl. 5 d. A.). Eine Aufhebung der Schiedsvereinbarung findet sich hingegen nirgendwo. Da die Beklagte zudem den Einwand der Schiedsabrede entsprechend § 1032 Abs. 1 ZPO vor der mündlichen Verhandlung, nämlich bereits in der Klageerwiderung (Bl. 34 d. A.), und somit rechtzeitig erhoben hat, war die Klage zum staatlichen Gericht unzulässig.
2. Jedoch ist vorliegend der Ausnahmefall gegeben, dass jedenfalls das jetzige Sich-Berufen der Beklagten auf die Schiedsabrede rechtsmissbräuchlich ist. Dies aus drei Gründen:
a) Es ist allgemein anerkannt (vgl. Münchener Kommentar/Münch, 3. Aufl. 2008, Rn 9 zu § 1032 ZPO, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung), dass sich eine Partei ausnahmsweise dann gegenüber dem staatlichen Gericht nicht auf die Sperrwirkung einer Schiedsklausel berufen kann, wenn sie wegen desselben Streitgegenstandes zuvor vor dem Schiedsgericht umgekehrt dessen Kompetenz bemängelt und eine Entscheidung durch das staatliche Gericht verlangt hat (vom Münchener Kommentar aaO. ...