Leitsatz (amtlich)
1. Keine bindende Verweisung zwischen Zivil- und Schiedsgericht
2. Eine Vertragsklausel in einem Kfz-Vertragshändlervertrag, in der die Zuständigkeit eines endgültig entscheidenden Schiedsgerichts vorgesehen ist, ist mit Art. 3 Abs. 6 GVO vereinbar.
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 2-5 O 61/07) |
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung von gutgeschriebenen Aufwendungen für Gewährleistungs-und Kulanzleistungen und auf Ersatz von Prüfungskosten in Anspruch.
Die Beklagte war Vertragshändlerin und A Service-Partner der Klägerin. Mit Schreiben vom 6.2.2006 (Bl. 136-142 d.A.) hat die Klägerin die Verträge fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt.
Mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung versuchte sich die Beklagte gegen die Folgen der von der Klägerin ausgesprochenen fristlosen Kündigungen zu wehren. Das LG Darmstadt hat den Antrag im Hinblick auf die Schlichtungsklausel in Ziffer 19.4. des Händlervertrages (Anlage K 1) als unzulässig abgewiesen. In diesem Verfahren hatte die Beklagte die Auffassung vertreten, diese Schlichtungsklausel stehe der Anrufung des staatlichen Gerichts nicht entgegen (Anlagen K 58 und K 59, Bl. 252-254 d.A.)
Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Beklagte mit der Klagerwiderung unter anderem die Zulässigkeit der Klage gerügt (Bl. 68-70 d.A.), weil das Schlichtungsverfahren nach Artikel 23.7. des Vertrages für A Service-Partner (nachfolgend: Servicevertrag) nicht durchgeführt wurde.
Artikel 23.7 des Servicevertrages (Anlage K2) lautet:
"Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien in Bezug auf die Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen, insbesondere der Kaufverpflichtung (Artikel 8.1) und der Bedingungen für den Service an anderen Marken (Artikel 10.12), werden die Parteien solche Angelegenheiten einem gemeinsam bestellten, Expertenausschuss zur Entscheidung zu unterbreiten, der aus drei Personen besteht. Jede Partei bestellt einen Experten, die beiden so bestellten Experten ernennen gemeinsam den dritten Experten. Wird keine Einigung erzielt, wird der dritte Experte durch den Präsidenten der IHK O1 bestimmt. Bei der Entscheidungsfindung wird der Expertenausschuss die vom SERVICE-PARTNER in früheren Zeiträumen erzielten Umsätze sowie seine Umsatzplanung heranziehen. Die Kosten des Schlichtungsverfahrens werden zu gleichen von A und dem SERVICE-PARTNER getragen."
Mit dem am 8.5.2008 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Klage aufgrund der von der Beklagten erhobenen Rüge der Schiedsvereinbarung als unzulässig abgewiesen.
Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes verwiesen wird, richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Klagebegehren vollumfänglich weiterverfolgt.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Zuständigkeit der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main sei unter allen rechtlichen Gesichtspunkten - auch im Verhältnis zu einem Schiedsgericht - endgültig bindend festgelegt, nachdem der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main die bindende Verweisung der 14. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main durch Beschluss vom 19.4.2007 (Bl. 178-180 d.A.) bestätigt hat.
Die von der Beklagten erhobene Einrede des Schiedsverfahrens sei rechtsmissbräuchlich, weil sie in dem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem LG Darmstadt zum Vorrang des Schiedsverfahrens die gegenteilige Auffassung vertreten habe.
Es handele sich bei der Schiedsklausel des Artikels 23.7 auch nicht um eine Schiedsvereinbarung gemäß §§ 1025 ff. ZPO. Das nach Art. 3 Abs. 6 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor (nachfolgend GVO) vertraglich einzuräumende Streitschlichtungsverfahren entspreche einer Schiedsvereinbarung nach deutschem Recht nicht.
Die Schiedsklausel des Artikels 23.7 eröffne nach dem Parteiwillen die Wahlmöglichkeit entweder ein nationales Gericht anzurufen oder das Schlichtungsverfahren durchzuführen. Das Recht, ein nationales Gericht anzurufen habe unberührt bleiben sollen. Es sei lediglich - um die Freistellung zu erlangen - das zusätzliche Recht (nicht die Pflicht) eingeräumt worden, einen unabhängigen Sachverständigen oder einen Schiedsrichter anzurufen. Es sei unschädlich, dass nicht explizit geregelt sei, dass das Recht der Vertragsparteien, ein nationales Gericht anzurufen, unberührt bleibe. Diese Klarstellung sei versehentlich unterblieben.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 8.5.2008, AZ: 2/5 O 61/07, zugestellt am 13.5.2008, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 677.992,06 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % für die Zeit vom 19.12.2005 bis zum 7.2.2006 und in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.2.2006 sowie weitere EUR 4.694,80 nebst Zinse...