Leitsatz (amtlich)
1. Das Begehren auf Unterlassung, beanstandete Inhalte auf bestimmte Internetseiten durch Anzeige in den Suchergebnissen einer Suchmaschine mit entsprechender Verlinkung auffindbar zu machen, wird von der Rechtsfolge des Art. 17 DS-GVO erfasst.
2. Über die Rechtmäßigkeit der Verlinkung von Inhalten mit Gesundheitsdaten im Sinne des Art. 9 Abs. 1 DS-GVO ist nach Art. 17 Abs. 1 lit. d) DS-GVO in Verbindung mit Art. 17 Abs. 3 lit. a) DS-GVO im Wege einer Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden, wobei sich die Abwägung an Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DS-GVO orientieren kann.
3. Die von dem EuGH in seinem Urteil vom 13.05.2014, C-131/12, zu einem "Recht auf Vergessen" festgelegten Abwägungskriterien sind im Rahmen des Art. 17 Abs. 1 lit. a) lit. d) in Verbindung mit Art. 17 Abs. 3 lit. a), Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DS-GVO nicht schematisch anzuwenden, sondern es ist den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen.
Normenkette
DS-GVO Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 2, Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f, Art. 9 Abs. 1, Art. 17; EMRK Art. 8 Abs. 1, Art. 10 Abs. 1; EUGrCh Art. 7-8, 11; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 26.10.2017; Aktenzeichen 2-03 O 190/16) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, 3. Zivilkammer, vom 26. Oktober 2017, Az. 2-03 O 190/16, wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollsteckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für die Berufung wird auf 75.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
A. Der Kläger war bis April 2012 Geschäftsführer des X Mittelhessen (X Mittelhessen), der über 500 Beschäftigte und mehr als 35.000 Mitglieder hat und bundesweit der zweitgrößte Regionalverband des X ist; die Beklagte zu 2 - gegen die allein sich die Klage im Berufungsverfahren noch richtet - betreibt die Suchmaschine Google.
Im Jahr 2011 wies der X Mittelhessen ein finanzielles Defizit von knapp 1 Million EUR auf. Der Kläger meldete sich kurz zuvor aufgrund gesundheitlicher Probleme krank. Die Presse berichtete wiederholt über die finanzielle Schieflage des X Mittelhessen, teils unter Nennung des Namens des Klägers sowie der Tatsache, dass er sich aus gesundheitlichen Gründen nicht im Dienst befinde.
Der Kläger begehrt von der Beklagten zu 2 die Unterlassung, bei einer Suche nach seinem Vor- und Zunamen, sowohl isoliert als auch in Verbindung mit bestimmten geographischen Angaben, fünf konkrete URL bei den Suchergebnissen ihrer Suchmaschine in Deutschland anzuzeigen, die zu entsprechenden Berichterstattungen der Presse (vgl. Anlagenkonvolut K1 Bl. 10 ff. d.A.) führen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 340 bis 343 d.A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage für zulässig erachtet, aber als unbegründet abgewiesen. Soweit es die Passivlegitimation der Beklagten zu 1 verneint hat, ist dies in der Berufung nicht mehr von Belang. Hinsichtlich der Beklagten zu 2 hat es einen Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der weiteren Anzeige der streitgegenständlichen Links mit der Begründung verneint, die Rechte des Klägers auf Anonymität und informationelle Selbstbestimmung würden bei Abwägung der widerstreitenden Interessen nicht rechtswidrig durch die Beklagte zu 2 verletzt.
Zwar sei das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers durch die von der Beklagten zu 2 erstellte Ergebnisliste mit den streitgegenständlichen Treffern beeinträchtigt. Auch scheide eine Haftung der Beklagten zu 2 nicht bereits deshalb aus, weil diese sich auf die Privilegierung der §§ 8, 9 TMG berufen könne. Die Beklagte zu 2 sei jedoch nicht als (mittelbare) Störerin anzusehen.
Eine Haftung als Suchmaschinenbetreiber greife, wenn der Betreiber einer Suchmaschine konkret auf die Rechtsverletzung hingewiesen worden sei und für den Betreiber hierdurch die behauptete Rechtsverletzung im Rahmen seiner Prüfung offensichtlich erkennbar sei. Die Inkenntnissetzung sei hier durch die Klagebegründung erfolgt.
Im Rahmen der Interessenabwägung sei auf Seiten des Betreibers einer Suchmaschine das eigene wirtschaftliche Interesse am Betrieb der Suchmaschine zu berücksichtigen, das für sich allein die grundrechtlich geschützte Position des Klägers - sein Persönlichkeitsrecht - nicht überwiegen könne. Darüber hinaus könne sich die Beklagte zu 2 zwar nicht selbst auf das Grundrecht aus Art. 5 GG berufen, weil die Arbeit einer Suchmaschine in einer rein technischen Verbreitung liege; allerdings seien auf Seiten der Beklagten zu 2 die Rechte der Autoren und Seiteninhaber aus Art. 5 Abs. 1 GG, die Pressefreiheit der Medienorgane sowie die Ansprüche der Nutzer auf Information zu berücksichtigen.
Die Abwägung falle zu Lasten des Klägers aus. Der Kläg...