Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzanfechtung: Zur Frage, wann ein Dritter eine Stellung innehat, die wirtschaftlich der eines Gesellschafters gleichkommt
Normenkette
InsO § 135
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 01.02.2017; Aktenzeichen 2-24 O 68/16) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 1. Februar 2017 verkündete Endurteil des Einzelrichters der 24. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt a.M. (Az.: 2-24 O 68/16) in der Fassung des Tatbestandsberichtigungsbeschlusses von 23. August 2017 aufgehoben.
Der Klageantrag ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Der Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens wird auf 2.268.011,39 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger ist Verwalter in dem auf einen Eigenantrag vom 16.10.2013 hin am 01.01.2014 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der X & Y GmbH (künftig: Schuldnerin oder XY). Er nimmt die Beklagte als Alleingesellschafterin der Schuldnerin aus §§ 135 Abs. 2, 143 InsO auf Zahlung von 2.268.011,39 EUR in Anspruch.
Gesellschafter-Geschäftsführer der Schuldnerin und Kommanditisten der Beklagten waren im relevanten Zeitraum die Gebrüder A und B X. Komplementärin der Beklagten war ursprünglich die Baugesellschaft X GmbH, deren Gesellschafter-Geschäftsführer ebenfalls A und B X waren. Ein Konsortium aus fünf Banken (Bank1 als Poolführerin, Bank2, Bank3, Bank4, Bank5) hatte der Schuldnerin einen Kredit in Höhe von 9,4 Mio. EUR gewährt, der gemäß einem Sicherheiten-Poolvertrag vom 11.05.2010 (Anlage BGM 2, Bl. 232 ff. d.A.) u.a. durch Grundpfandrechte in Höhe von 12 Mio. EUR an sechs Grundstücken der Beklagten und an einem Grundstück der Schuldnerin besichert war.
Der Kläger hat die mit Schreiben vom 22.01.2015 erstmals vorgerichtlich geltend gemachte Forderung darauf gestützt, dass unstreitig die Schuldnerin im letzten Jahr vor Insolvenzantragstellung den Kredit um 1.592.460,56 EUR zurückführte und dass den Banken aus der Verwertung eines im Eigentum der Schuldnerin stehenden, haftenden Grundstücks ein Erlös von 675.550,83 EUR zugeflossen ist. Dadurch seien, so der Kläger, von der Beklagten gestellte Sicherheiten in Höhe von 1.592.460,56 EUR und 675.550,83 EUR, insgesamt 2.268.011,39 EUR frei geworden.
Nach unstreitigem erstinstanzlichen Streitstand erzielten die Banken bei der Verwertung von Grundbesitz der Beklagten einen Übererlös von 885.447,53 EUR, der an die Beklagte ausgekehrt wurde.
Die Beklagte hat behauptet, dass die Banken übersichert gewesen seien - in welcher Höhe, hat sie nicht konkret vorgetragen - und daher ohnehin Sicherheiten hätten freigeben müssen, unabhängig von einer Rückführung der Kredite durch die Schuldnerin. In erster Linie hat sie darauf abgestellt, dass die Banken nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geschäftsführergleich Einfluss auf die Geschicke der Schuldnerin hätten nehmen können und daher keine "Dritten" i.S. von § 135 Abs. 2 InsO seien. Vielmehr gelte für sie § 135 Abs. 1 InsO . Dabei hat sie zum einen auf den Inhalt vertraglicher Vereinbarungen zwischen der Schuldnerin, der Beklagten, den Herren X und den Banken sowie zwischen den Herren X und einer neu gegründeten Treuhandgesellschaft abgestellt und zum anderen behauptet, die Banken hätten faktisch Einfluss auf das operative Geschäft der Schuldnerin genommen. Die Beklagte hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dahingehend ausgelegt, dass für die Annahme einer gesellschaftergleichen Stellung eine faktische Einflussnahme des Darlehensgebers ausreiche. Ergänzend hat sie geltend gemacht, dass ihre Haftung nach § 143 Abs. 3 Satz 2 InsO (in der bis zum 04.04.2017 geltenden Fassung) auf den Wert dreier Grundstücke (Straße1 - 3 in Stadt2-Stadtteil1) beschränkt sei, der bereits nach dem Vortrag des Klägers um 768.011,39 EUR niedriger sei als die Klagehauptforderung und der im Übrigen bestritten werde.
Dem gegenüber hat der Kläger darauf abgestellt, dass keine Übersicherung vorgelegen habe. Die Kreditlinien über insgesamt 9,4 Mio. EUR seien durch eine Gesamtgrundschuld über nominal 12 Mio. EUR besichert worden. Für die Frage der Übersicherung sei indessen nicht der Nennwert der Sicherheiten entscheidend, sondern der im Falle der Insolvenz zu erwartende Verwertungserlös. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GSZ 1/97, Beschluss vom 27.11.1997) sei von einer Übersicherung erst dann auszugehen, wenn der Nennwert des Sicherungsgutes 150% des Betrags der besicherten Forderung übersteige. Ob die Beklagte schon zu einem früheren Zeitpunkt eine Freigabe der von ihr gestellten Sicherheiten hätte verlangen können, sei unerheblich, weil die Beklagte ein Freigabeverlangen nicht gestellt habe. Die Verbindlichkeit der Beklagten sei nicht nach § 143 Abs. 3 Satz 2 InsO (a.F.) auf einen Betrag unterhalb der Klageforderung beschränkt. Zu berücksichtigen sei nicht nur der Wert der nicht verwerteten Grundstücke der Beklagten in Sta...