Leitsatz (amtlich)
1. Bezeichnet der Kläger irrtümlich einen falschen - aber tatsächlich existierenden - Beklagten, hat das Gericht den wirklichen Willen des Klägers auf der Grundlage des gesamten Inhalts der Klage(begründungs)schrift sowie etwa beigefügter Anlagen auszulegen. Für die Verweigerung einer Berichtigung des Passivrubrums ist in solchen Fällen kein Raum. Der falsche Beklagte wird durch die Zustellung der Klageschrift nicht Partei, sondern bleibt Scheinbeklagter.
2. Hat das erstinstanzliche Gericht die Klage gegen den Scheinbeklagten abgewiesen, stellt dies regelmäßig ein unzulässiges Teilurteil dar, das die Aufhebung und Zurückweisung nach § 538 II 1 Nr. 7 ZPO erforderlich macht.
Normenkette
ZPO §§ 253, 538 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Aktenzeichen 5 O 126/07) |
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Bürgschaft in Anspruch.
In dem vorausgehenden Mahnverfahren hat der Kläger als Antragsgegnerin die ggü. der Beklagten rechtlich selbständige Scheinbeklagte "...-Versicherung AG" angegeben. Dieser wurde auch der Mahnbescheid zugestellt. Im streitigen Verfahren hat die Scheinbeklagte ihre Passivlegitimation bestritten. Die Beklagte ist bisher am Rechtsstreit nicht beteiligt worden.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
Das LG hat die Klage als unbegründet abgewiesen, da ein Anspruch aus einem Bürgschaftsvertrag ggü. der Scheinbeklagten unzweifelhaft nicht bestehe. Eine Berichtigung des Rubrums - wie von der Klägerin beantragt - komme nicht in Betracht.
Zur Urteilsbegründung im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 247 ff. d.A.) Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sowie begründete Berufung des Klägers.
Der Kläger trägt vor:
Das LG habe die Berichtigung des Beklagtenrubrums zu Unrecht verweigert. Die unrichtige Parteibezeichnung sei unschädlich und sogar von Amts wegen zu berichtigen gewesen, da vorliegend kein Zweifel darüber bestehen konnte, dass Partei die "...-Allgemeine Versicherung AG" ist.
Wegen seines Vortrags im Einzelnen wird auf die Schriftsätze vom 14.3.2008 (Bl. 287 ff. d.A.), 22.5.2008 (Bl. 311 f. d.A.) und 13.8.2008 (Bl. 333 f. d.A.) verwiesen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.040,71 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.6.2003 zu zahlen.
Die Scheinbeklagte hat zuletzt beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen ihres Vortrags wird auf die Schriftsätze vom 25.4.2008 (Bl. 300 ff. d.A.), 22.7.2008 (Bl. 331 f. d.A.) sowie 26.8.2008 (Bl. 342 ff. d.A.) Bezug genommen.
II. Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das LG. Wahre Beklagte in diesem Rechtsstreit ist die "...-Allgemeine Versicherung AG" geworden und nicht die "...-Versicherung AG", die lediglich als Scheinbeklagte zu behandeln ist.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist zwischen einer falschen Bezeichnung des richtigen Beklagten und der Auswahl eines falschen, nämlich nicht passivlegitimierten Beklagten, zu unterscheiden. Im ersten Fall ist eine Berichtigung durch Auslegung möglich, im zweiten Fall kann der Fehler nur durch eine Klageänderung in der Form des Parteiwechsels behoben werden (BGH, Urt. v. 27.11.2007 - X ZR 144/06). Entgegen der Ansicht des LG ist vorliegend eine Berichtigung der Parteibezeichnung vorzunehmen.
Als Teil einer Prozesshandlung ist auch die Parteibezeichnung grundsätzlich der Auslegung zugänglich. Dabei ist maßgeblich, wie die Bezeichnung bei objektiver Deutung aus der Sicht des Gerichts und der gegnerischen Partei zu verstehen ist. Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der Klägerseite in der Klageschrift gewählten Bezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist.
Dabei sind nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwa beigefügter Anlagen zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 27.11.2007 - X ZR 144/06 m.w.N.).
Von der fehlerhaften Parteibezeichnung zu unterscheiden ist die irrtümliche Benennung einer falschen, am materiellen Rechtsverhältnis nicht beteiligten Person als Partei; diese wird Partei, weil es entscheidend auf den objektiv geäußerten Willen der Klägerseite ankommt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine berichtigende Auslegung dann nicht in Frage kommt, wenn irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden juristischen Person gewählt worden ist (BGH, Urt. v. 27.11.2007 - X ZR 144/06 m.w.N.).
Vorliegend hätte das LG nach Abgabe des Verfahrens aus dem Mahnverfahren aus der als Anlage zur Klagebegründungschrift überreichten Bürgschaftsurkunde (Bl. 33 d.A.) erkennen können, dass der Kläger tatsächlich die "...-Allgemeine Versicherung AG" in Anspruch nehmen wollte und nicht die Scheinbeklagte. Danach war bereits zu diesem Zeitpunkt erkennbar, dass der Kläger die Gegenseite sowo...