Leitsatz (amtlich)
1. Wird die Klageschrift an eine Person zugestellt, die nach dem durch Auslegung feststellbaren Willen des Klägers nicht Partei werden sollte, wird diese Person nicht Partei sondern lediglich Scheinbeklagter.
2. In einem derartigen Fall ist durch Zwischenurteil festzustellen, dass die fragliche Person nur Scheinbeklagter wurde. Der Erlass eines klageabweisenden Teilurteils gegen einen Scheinbeklagten ist unzulässig, das Verfahren nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 7 ZPO an die erste Instanz zurückzuverweisen.
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 14.06.2016; Aktenzeichen 23 O 578/15) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Teilurteil des LG München I, 23 O 578/15, vom 14.06.2016 aufgehoben.
II. Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das LG München I zurückverwiesen.
III. Der Antrag auf Berichtigung des Rubrums wird zurückgewiesen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Das soeben verkündete Endurteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO wie folgt begründet:
Gründe
I. Das LG, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO Bezug genommen wird, hat Herrn Rechtsanwalt Hans-Michael H. als Beklagten zu 2) angesehen und die gegen ihn gerichtete Klage durch Teilurteil als unbegründet abgewiesen.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Verklagt seien weder Herr Rechtsanwalt H. noch die Erbengemeinschaft, sondern sämtliche Erben.
Der Kläger beantragt daher:
1. Das Urteil des LG München I vom 14.06.2016 wird aufgehoben.
2. Das Verfahren hinsichtlich des Beklagten zu 2) ist unterbrochen.
3. Das Rubrum in Ziff. 2 der Klage wird dahingehend berichtigt, dass nicht verklagt ist Hans-Michael H., sondern die unter Ziff. 2 der Klage aufgeführten Personen, über deren Erbanteile Hans-Michael H. Testamentsvollstrecker ist.
Der Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.10.2016 Bezug genommen.
II. Das vom LG erlassene Teilurteil war unzulässig und daher aufzuheben. Das Verfahren war nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Ziff. 7 ZPO an das LG zurückzuverweisen.
1. Der Erlass des Teilurteils nach § 301 ZPO gegen Herrn Rechtsanwalt H. war unzulässig, da dieser nicht Beklagter ist.
1.1. Eine Parteibezeichnung als Teil einer Prozesshandlung ist der Auslegung zugänglich. Dabei ist maßgebend, wie die Bezeichnung bei objektiver Deutung aus Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen ist. Zu berücksichtigen ist nicht nur das Rubrum, sondern der gesamte Inhalt der Klageschrift. Dabei darf die Klageerhebung gegen die in Wahrheit gemeinte Partei nicht an deren fehlerhafter Bezeichnung scheitern, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen (BGH NJW-RR 2008, S. 582, 583; BGH NJW-RR 2013, S. 394). Dabei können als Auslegungsmittel auch spätere Prozessvorgänge herangezogen werden (BGH NJW-RR 2009, S. 854).
1.2. Unter Anwendung dieser Grundsätze war ersichtlich eine Parteienstellung von Herrn Rechtsanwalt Hans-Michael H. nicht gewollt.
Nach dem Rubrum der Klageschrift (S. 1 d.A.) soll Klage erhoben werden gegen "die Erbengemeinschaft... bestehend aus". Herr Rechtsanwalt H. war unstreitig nie selbst Mitglied der Erbengemeinschaft. Dies spricht bereits dafür, dass jedenfalls nicht Herr Rechtsanwalt H. Beklagter werden sollte. Allerdings sind die weiteren Ausführungen im Rubrum "2. RA Hans-Michael H. als Testamentsvollstrecker für.." nicht eindeutig. Insbesondere die Nummerierung könnte ein Indiz sein, dass das Verfahren nur gegen insgesamt fünf (bzw. ohne den Kläger vier) Beklagte erhoben werden soll. Auf Seite 2 der Klageschrift (Bl. 2 d.A.) wird dann jedoch zur Begründung ausgeführt "Erben wurden die Beklagten zu 1) bis 5)". Dies lässt hinreichend deutlich darauf schließen, dass die Klage entweder gegen die Erbengemeinschaft als solche oder deren einzelne Mitglieder, aber jedenfalls nicht gegen Herrn Rechtsanwalt H. gerichtet war.
Dies hat der Kläger auch im weiteren Verfahren hinreichend deutlich erklärt.
Im Schriftsatz vom 30.07.2015 (S. 2, Bl. 20 d.A.) führt der Kläger aus, verklagt sei die Erbengemeinschaft, die u.a. aus den in Ziff. 2 der Klage aufgeführten Erben bestehe. Im Schriftsatz vom 14.12.2015 (S. 1, Bl. 32 d.A.) erklärt der Kläger, die Klage sei mit Abschriften für alle Beteiligten dem Gericht überlassen worden. Daraus sei erkennbar gewesen, dass die einzelnen Mitglieder der Erbengemeinschaft verklagt waren. Im Schriftsatz vom 03.05.2016 (Bl. 65d. A) führt der Kläger schließlich aus, verklagt sei laut Klage die Erbengemeinschaft.
1.3. Zwar kann eine Erbengemeinschaft, wie das LG zutreffend erkannt hat, nicht selbst Partei des Rechtsstreits sein. Dies führt aber vorliegend nicht dazu, dass Herr Rechtsanwalt H. als Partei anzusehen wäre. Stattdessen sind die Schrifts...