Leitsatz (amtlich)
1. Der nicht gewerbsmäßige private Pferdezüchter bzw. Pferdehalter ist auch nach der am 1.10.1997 in Kraft getretenen neuen Regelung des SGB VII als Unternehmer im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Unfallvorschriften einzustufen.
2. Die Pferdezüchter bzw. Pferdehalter, die mit ihren Hengsten an einer Körungsveranstaltung teilnehmen, handeln bei der Präsentation ihrer Tiere auf einer gemeinsamen Betriebsstätte i.S.v. § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII.
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 06.12.2000; Aktenzeichen 2 O 193/99) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Grundurteil der 2. Zivilkammer des LG Darmstadt vom 6.12.2000 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil beschwert die Klägerin mit mehr als 20.000 Euro.
Tatbestand
Am 6.12.1997 veranstaltete der Beklagte zu 2) auf dem Gelände des Reitervereins A. eine Hengstkörung. Hieran nahmen u.a. der Beklagte zu 1) sowie der Zucht- und Ausbildungsstall B. mit ihren Hengsten teil. Die 1977 geborene Klägerin war bei letzterem als Auszubildende zur Pferdewirtin im zweiten Lehrjahr beschäftigt und von ihrem Arbeitgeber zur Betreuung seiner Pferde im Rahmen der Körungsveranstaltung eingesetzt.
Gegen 16:30 Uhr des 6.12.1997 wartete die Klägerin vor dem Eingangstor der Reithalle, in der zu dieser Zeit u.a. der Hengst des Beklagten zu 1) mit der Startnummer X sowie der Hengst ihres Arbeitgebers mit der Startnummer Y in einer Achtergruppe der Jury vorgestellt wurden, um "ihr" Pferd nach Beendigung der Präsentation zu übernehmen und in die Stallungen zu bringen.
Nachdem die Hengste die Halle verlassen hatten und die Klägerin gerade dabei war, dem Tier ihres Arbeitgebers eine Decke aufzulegen, wurde sie von einem vorbeigehenden Pferd an den Kopf getreten und dabei lebensgefährlich verletzt.
Die Klägerin hat behauptet, sie sei von dem Hengst des Beklagten zu 1) mit der Startnummer X getreten worden, als dieser das von ihr übernommene Tier ihres Arbeitgebers passierte.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte zu 1) sei ihr als Halter des sie verletzt habenden Pferdes zum vollen Ersatz allen ihr durch den streitgegenständlichen Unfall bereits entstandenen und noch entstehenden materiellen und immateriellen Schadens gem. § 833 S. 1 BGB verpflichtet; daneben treffe den Beklagten zu 1) aber auch ein Verschulden an dem Schadensereignis, da er beim Vorbeiführen seines Hengstes nicht den notwendigen Sicherheitsabstand eingehalten habe.
Der Beklagte zu 2), so die Klägerin weiter, hafte ihr als Veranstalter der in Rede stehenden Hengstkörung, da er die ihm obgelegene Verkehrssicherungspflicht in vielfacher und teils grober Weise verletzt habe.
Im Hinblick auf die Schwere und die Tragweite der von ihr erlittenen Verletzungen hält die Klägerin ein Schmerzensgeld von mindestens 500.000 DM für angemessen und gerechtfertigt.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie 80.618 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23.6.1999 sowie ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr jeden weiteren materiellen und immateriellen Schaden, der in Zukunft aufgrund des Unfallereignisses vom 6.12.1997 entsteht, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergegangen sind.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte zu 1) hat bestritten, dass die Klägerin von seinem Hengst getreten worden sei; jedenfalls aber, so hat er gemeint, komme ihm das Haftungsprivileg des § 833 S. 2 BGB zugute.
Des Weiteren hat sich der Beklagte zu 1) auf einen Haftungsausschluss nach den §§ 104, 106 SGB VII berufen und schließlich eingewandt, dass der Klägerin ein erhebliches Mitverschulden an dem fraglichen Schadensereignis anzulasten sei, da sie sich selbst äußerst unvorsichtig und leichtfertig verhalten habe.
Auch der Beklagte zu 2) hat eine Haftung seinerseits in Abrede gestellt; eine Verletzung der ihm obgelegenen Verkehrssicherungspflicht könne ihm nicht angelastet werden; die Organisation der Veranstaltung habe vielmehr den üblichen Standards entsprochen, insb. seien alle notwendigen Sicherheitsvorkehrungen getroffen und beachtet worden.
Der Beklagte zu 2) hat sich des Weiteren auf eine - nach seiner Ansicht wirksam vereinbarte - vertragliche Haftungsfreizeichnung und insb. auch - wie der Beklagte zu 1) - auf einen Haftungsausschluss nach den §§ 104, 106 SGB VII berufen. Schließlich hat auch er den Mitverschuldenseinwand erhoben.
Das LG hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehm...