Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzanfechtung. Scheingewinn. Vermittlerprovision. Anfechtung auf Scheingewinnen beruhender Vermittlerprovision

 

Leitsatz (amtlich)

Die Zahlung einer Vermittlungsprovision ist als unentgeltliche Leistung nach § 134 Absatz 1 InsO anfechtbar, soweit sie auf Scheingewinnen besteht, die den vermittelten Anlegern gutgeschrieben worden sind.

 

Normenkette

InsO § 134 Abs. 1, § 143

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 04.09.2009; Aktenzeichen 2-27 O 461/08)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 4. September 2009, Az. 2-27 O 461/08, abgeändert.

Die Klage wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 1. Juli 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der A ... GmbH Gesellschaft für die Durchführung und Vermittlung von Vermögensanlagen (im Folgenden: Schuldnerin).

Die Schuldnerin bot mit dem 1992 eingeführten B .... (B) ihren Kunden die Möglichkeit an, am Erfolg oder Nichterfolg von Optionsgeschäften teilzunehmen, die sie im eigenen Namen auf Rechnung der Anlegergemeinschaft durchführte. Bereits zwischen 1992 und 1997 erlitt die Schuldnerin bei den Termingeschäften hohe Verluste, die sie den Anlegern gegenüber durch manipulierte Buchungen und fingierte Gewinnzuweisungen verschwieg. In der Folge baute sie ein Schneeballsystem auf, bei dem sie die Einlagen von Neukunden dazu verwandte, Auszahlungen an Altkunden sowie Zahlungen für die laufenden Geschäfts- und Betriebskosten der Schuldnerin und ihrer Vertriebspartner vorzunehmen.

Der Beklagte war seit den 90er Jahren Vermittler von Kapitalanlagen für die Schuldnerin. Nach § 6 Ziff. 6.1 des mit der Schuldnerin am 1. November 2002 geschlossenen neuen Vertriebsvertrags sollte er von jedem Abschluss das vom Kunden erhobene Agio abzüglich 1 % für Vertriebsbetreuung als Abschlussprovision und nach Ziff. 6.2 als Folgeprovision für jede Abrechnungsperiode (Handelsmonat) 0,30 % des arithmetischen Mittelwerts der Einlage der von ihm betreuten Kunden zu Beginn der Abrechnungsperiode und der Einlage zu Beginn der folgenden Abrechnungsperiode erhalten. Die dem Beklagten vergüteten Folgeprovisionen berechnete die Schuldnerin unter Berücksichtigung von Scheingewinnen, die sie den einzelnen von dem Beklagten betreuten Kunden zugewiesen hatte.

Der Kläger macht gegen den Beklagten einen Rückzahlungsanspruch aus §§ 143, 134 InsO nach Anfechtung der innerhalb von vier Jahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gezahlten Folgeprovisionen geltend, soweit sie unter Berücksichtigung des durch die Zuschreibung von Scheingewinnen aufgeblähten Beteiligungswerts der von dem Beklagten betreuten Kunden am B ermittelt worden sind.

Er hat die Auffassung vertreten, dass es sich insoweit um unentgeltliche Leistungen der Schuldnerin gehandelt habe.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 300 bis 302 d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Vertragsparteien hätten eine bestimmte Provision dafür vereinbart, dass die von dem Beklagten betreuten Kunden ihre Einlage bei der Schuldnerin belassen. Die Handhabung des Vertrags habe seinen Regelungen entsprochen. Damit sei die Provisionszahlung entsprechend der Vereinbarung und damit weder rechtsgrundlos noch unentgeltlich erfolgt. Der Schuldnerin sei die Betreuung der Kunden und das Halten der Gelder eine höhere Provision wert gewesen. Insofern bestünde ein Leistungsbestimmungsrecht der Vertragsparteien, das nicht nachträglich einer Wirtschaftlichkeitskontrolle zugeführt werden könne. Zudem fehle es am subjektiven Tatbestand der Unentgeltlichkeit, da die Schuldnerin weder ihre Vertriebsagenten habe fördern noch aus sonstigen Gründen Zahlungen ohne Rechtsgrund habe leisten wollen. Die ausbedungenen Provisionen seien als reguläre Gegenleistung behandelt worden.

Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 302 bis 303 d. A.) wird verwiesen.

Gegen dieses ihm am 16. September 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 28. September 2009 bei Gericht eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er mit einem am 2. November 2009 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Der Kläger rügt, dass das Landgericht den Begriff der unentgeltlichen Leistung im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO verkannt habe. Nach den vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten stünde diesem ein Folgeprovisionsanspruch lediglich aus dem tatsächlichen Wert der Anlage der von ihm betreuten Kunden am B zu. Damit hätten die Parteien im Rahmen des ihnen zustehenden Bewertungsspielraums festgelegt, wann die Gegenleistung den Wert der Leistung der Schuldnerin erreiche. Die Schuldnerin habe, um den Betrug nicht aufdecken zu müssen, bewusst mehr an den Beklagten gezahlt als vertraglich geschuldet. Dieser Mehrzahlung stünde keine Gegenleistung des Beklagten gegenüber; s...

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