Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzanfechtung: Vermutung der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 S. 2 InsO

 

Normenkette

InsO § 17 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Urteil vom 04.08.2017; Aktenzeichen 3 O 154/16)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 4. August 2017 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden (Az.: 3 O 154/16) unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 69.853,38 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.03.2015 zu zahlen.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.642,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.09.2015 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des jeweils zur Vollstreckung gelangenden Betrages leistet.

Der Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens wird auf 69.853,58 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger ist Verwalter in dem auf einen Eigenantrag vom 02.06.2014 hin am 30.05.2015 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der A GmbH (künftig: Schuldnerin). Der Beklagte ist eine durch Tarifvertrag errichtete gemeinnützige Organisation in der Trägerschaft der Tarifpartner des Maler- und Lackiererhandwerks. Als Mitglied des Beklagten war die Schuldnerin zur Zahlung monatlicher Beiträge in der Größenordnung von 6.000 bis 7.500 EUR verpflichtet. Sie hatte ihrerseits Ansprüche gegen den Beklagten auf die Erstattung von ihr verauslagter, an ihre Arbeitnehmer gezahlter Urlaubsgelder. Diese Erstattungsansprüche waren erst dann fällig, wenn das Beitragskonto der Schuldnerin ausgeglichen war. Eine Aufrechnung mit diesen Erstattungsansprüchen gegen die Beitragsforderungen des Beklagten war ausgeschlossen.

Der Kläger ficht Zahlungen vom Geschäftskonto der Schuldnerin an den Beklagten in Höhe von insgesamt 69.853,38 EUR, die am 30.09.2013, 11.04.2014, 21.05.2014 und 30.05.2014 erfolgt sind, nach § 133 InsO an. Ihnen gingen Titulierungen von Forderungen des Beklagten gegen die Schuldnerin durch Versäumnisurteile und nachfolgende Pfändungen seitens des Beklagten in das Geschäftskonto der Schuldnerin voraus. Dieses Konto wurde im maßgeblichen Zeitraum debitorisch geführt, wie nach Vorlage der Kontoauszüge (Anlagenkonvolute K 5 und K 11) durch den Kläger zuletzt unstreitig ist. Auf dem Geschäftskonto war der Schuldnerin von deren Bank eine Kreditlinie in Höhe von 80.000 EUR eingeräumt worden.

Ab Oktober 2012 kam es zu Pfändungen in das Geschäftskonto der Schuldnerin durch Sozialversicherungsträger und den Fiskus, jedenfalls ab Dezember 2012 auch zu Pfändungen durch den Gerichtsvollzieher und jedenfalls ab Januar 2014 zu der Rückgabe einer zunehmend wachsenden Zahl von Lastschriften.

Von Februar 2011 an zahlte die Schuldnerin ihre Beiträge an die Beklagte ständig erst drei bis vier Monate nach Fälligkeit. Im März 2012 war ein Rückstand von rund 16.000 EUR aufgelaufen. Bis zum 28.09.2012 hatte sich der Rückstand auf knapp 30.000 EUR erhöht. Zwischen dem 14.11.2012 und dem 30.09.2013 leistete die Schuldnerin keinerlei Zahlungen an den Beklagten, wobei die am 30.09.2013 erfolgte Überweisung durch eine Kontenpfändung seitens des Beklagten veranlasst war. Der Beklagte meldete offene Beitragsforderungen in Höhe von 50.562,93 EUR zur Tabelle an.

In einem Schreiben an den Kläger, der offenbar satzungsgemäße Ansprüche auf die Erstattung von verauslagtem, an die Arbeitnehmer der Schuldnerin gezahltem Urlaubsgeld in Höhe von 74.787,50 EUR bei dem Beklagten geltend gemacht hatte, vom 10.12.2014 (Bl. 67 d.A.) teilte der Beklagte mit, dass die Erstattungsansprüche nicht hätten geprüft und anerkannt werden, weil die Schuldnerin Nachweise nicht vorgelegt habe, die bereits angemahnt worden seien. Gleiches hatte der Beklagte auch in Schreiben an die Schuldnerin vom 15.11.2013 und vom 21.01.2014 (Bl. 111, 112 d.A.) ausgeführt. Auf ein Schreiben des Klägers vom 08.06.2015 hin (Bl. 39 ff. d.A.), in dem der Kläger die Beklagte zur Zahlung von 56.635,76 EUR aufforderte, erklärte der Beklagte in einem am 17.06.2015 beim Kläger eingegangenen Schreiben vom 16.06.2015 (Bl. 41 f.), dass er eine Zahlung ablehne.

Der Kläger hat behauptet, dass die Schuldnerin spätestens am 30.09.2013 zahlungsunfähig gewesen sei und dass sie die vier angefochtenen Überweisungen mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommen habe. Der Verweis der Beklagten auf Erstattungsansprüche der Schuldnerin sei unbehelflich, weil diese Ansprüche wegen unterbliebener Vorlage von Unterlagen nicht fällig und damit nicht werthaltig gewesen seien. Der Beklagt...

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