Entscheidungsstichwort (Thema)
IWF-Übereinkommen VIII
Leitsatz (amtlich)
Die Republik Argentinien kann die Rückzahlung von Staatsanleihen ggü. Privatgläubigern nicht mehr mit der Berufung auf Staatsnotstand verweigern. Die tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechtfertigungsgrundes sind weggefallen, nachdem das Land ein umfangreiches internationales Umschuldungsverfahren durchgeführt und seine Wirtschafts- und Finanzlage nach dem sog. "Default" Ende 2001 erheblich verbessert hat.
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Urteil vom 06.05.2003; Aktenzeichen 32 C 1511/02) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 6.5.2003 verkündete Urteil des AG Frankfurt/M. (Az.: 32 C 1511/02-72) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt bleibt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 4.767,77 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger verlangen von der Beklagten Zinsen aufgrund von Teilschuldverschreibungen aus Staatsanleihen.
Die Beklagte begab 7 % DM-Inhaberschuldverschreibungen mit der Wertpapierkennnummer (WKN) A. und 10,25 % DM-Inhaberschuldverschreibungen mit der Wertpapierkennnummer (WKN) B. In den diesen Anleihen zugrundeliegenden Anleihebedingungen (ALB) verzichtete die Beklagte auf den Einwand der Immunität. Die Anleihe unterliegt deutschem Recht, Gerichtsstand ist Frankfurt/M. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ablichtung der Anleihebedingungen (Bl. 352 d.A.) verwiesen.
Die Beklagte ist seit einigen Jahren mit erheblichen volkswirtschaftlichen Problemen konfrontiert, die sie am 6.1.2002 dazu veranlasst haben, mit Gesetz Nr. 25.561 den nationalen Notstand "auf sozialem, wirtschaftlichem, administrativem, finanziellem und währungspolitischen Gebiet" auszurufen (Anlage B 4). Mit Verweis auf die Verordnung Nr. 256/2002 vom 6.2.2002 und das Notstandsgesetz setzte die Beklagte durch Resolution 73/2002 ihren Schuldendienst für sämtliche in Schuldverschreibungen verbrieften Auslandsverbindlichkeiten aus, um Verhandlungen über eine Umschuldung zu erreichen (Anlagen B 5 und B 11 - nachfolgend: Moratorium). Bis heute hat die Beklagte keine Zahlungen auf die streitgegenständlichen Zinsforderungen erbracht.
Die Kläger haben behauptet, sie seien i.H.v. 60.000 DM Inhaber der Teilschuldverschreibungen der 7 % Anleihe der Beklagten mit der Wertpapierkennnummer A. sowie i.H.v. 50.000 DM der 10,25 % Anleihe der Beklagten mit der Wertpapierkennnummer B.
Die Beklagte hat vorgetragen, die Klage sei im Hinblick auf die Bestimmungen des Übereinkommens über den Internationalen Währungsfonds (IWF) unzulässig. Im Übrigen hat sie sich auf Staatsnotstand sowie privaten Notstand berufen, weil sie zahlungsunfähig sei. Der Staatsnotstand sei im Völkergewohnheitsrecht anerkannt und durch Art. 25 des Regelungsentwurfs zur Staatenverantwortlichkeit der sog. International Law Commission, einer von den Vereinten Nationen eingesetzten Expertengruppe, in seinen Voraussetzungen und Wirkungen konkretisiert. Er gelte über Art. 25 Abs. 2 des Grundgesetzes auch unmittelbar ggü. Privatgläubigern.
Die Beklagte hat den Staatsnotstand und die Aussetzung ihres Schuldendienstes damit begründet, dass sie sich in einer schweren Wirtschaftskrise mit einer alle Wirtschaftszweige berührenden Depression befinde (reales Wirtschaftswachstum: -11 %). Daneben wurden die erheblichen sozialen Unruhen und der Staatsbankrott zitiert. Als Eckdatum hat die Beklagte u.a. ihre Verschuldung genannt, die zum 31.3.2002 bei erdrückenden 139 % des Bruttosozialprodukts liege. Verschärft werde diese Situation, weil die Beklagte eine erhebliche "Kapitalflucht" gewärtigen müsse und zu den internationalen Kapitalmärkten keinen Zugang mehr habe. Ihre Devisenreserven stünden für einen Schuldendienst nicht zur Verfügung, da sie zur Stabilisierung des Wirtschafts- und Finanzsystems unerlässlich seien und durch laufende Kredite des Internationalen Wahrungsfonds und der Weltbank ständig ergänzt werden müssten, um die Erfüllung grundlegender Staatsaufgaben zu ermöglichen. Erst wenn ein wirtschaftliches Programm und ein finanzielles Hilfspaket mit dem Internationalen Währungsfonds vereinbart seien und sich die wirtschaftliche und soziale Lage im Land stabilisiert habe, könnten die Kapitalmarktverbindlichkeiten der Beklagten umstrukturiert werden. Die Vollstreckung einzelner Privatgläubiger könne eine Sogwirkung auf den internationalen Kapitalmärkten auslösen, die einen Erfolg der Umschuldung und der wirtschaftlichen Konsolidierung gefährde. Der Zahlungsaufschub und die geplanten Umschuldungsverhandlungen seien deshalb ihre einzig möglichen Maßnahmen, um eine schwerwiegende Gefährdung der essentiellen Staatsinteressen abzuwenden. Die Zahlungsansprüche der Privatgläubiger müssten deshalb während des Staatsnotstands ausgesetzt bleiben.
Das Notstandsgesetz der Beklagten bzw. ihr Moratorium müsse von den deutschen Gerichten im Übrigen nach den Regeln des...