Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit einseitiger Festlegung von Margen und Boni

 

Normenkette

GWB §§ 19-20, 33

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 16.12.2021; Aktenzeichen 2-03 O 410/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16.12.2021 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (AZ. 2-03 O 410/20) abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung iHv 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit iHv 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 250.000 festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger, ein Fachverband autorisierter X-Händler und Werkstätten, der nach seiner Satzung u.a. berechtigt ist, Kartellverstöße des Herstellers geltend zu machen, nimmt die Beklagte, die X-Fahrzeuge herstellt, auf Unterlassung der einseitigen Festsetzung von Grundmarge und Boni in Anspruch.

Die Beklagte nutzt ein quantitativ selektives Vertriebssystem. Die X Vertragshändler verkaufen Neufahrzeuge der Marke X im eigenen Namen und auf eigene Rechnung.

Im April 2018 kündigte die Beklagte den bis dahin bestehenden Händlervertrag ordentlich zum 30.4.2020. Dieser gekündigte Vertrag hatte eine feste Vergütung ("Grundmarge") garantiert, die von dem unverbindlich empfohlenen Einzelhandelspreis ("UVP") abgezogen wurde. Außerdem war eine variable Vergütung vorgesehen, sofern die Händler neue Kraftfahrzeuge direkt von der Beklagte beziehen.

Die Beklagte erörterte im Folgenden den Entwurf eines neuen Händlervertrags mit dem Kläger. Zu den Vergütungsregelungen konnten die Parteien keine Einigung erzielen.

Am 7.12.2018 gab die Beklagte eine "X Händler-Vertrag 2020 - Verpflichtungserklärung" gegenüber dem Kläger ab (Anlage K5, Bl. 181ff. d.A.). In dieser erklärte die Beklagte, sich unwiderruflich zu verpflichten, dass die X Vertragshändler in den Kalenderjahren 2020 und 2021 eine feste Vergütung ("Grundmarge") und eine variable Vergütung erhalten, wenn sie von der Beklagten Neufahrzeuge beziehen.

Daraufhin kam es zum Abschluss eines neuen von der Beklagten vorformulierten "X-Händlervertrags" nebst Anhängen, der am 1.1.2020 in Kraft trat (Anlage K2, Bl. 89ff. d.A.). Der Vertrag sieht in Art. 8 vor, dass anwendbare Rabatte und Margenbestandteile nicht Gegenstand des Vertrags sind. Die Beklagte werde jährlich innerhalb des vierten Quartals eines Kalenderjahres "Commercial Policies" veröffentlichen. Nach dem "Anhang Liefer- und Zahlungsbedingungen" des Vertrags ist der Vertragshändlerpreis für jedes Kraftfahrzeug der am Tag der Rechnungsstellung geltende, von der Beklagten unverbindlich empfohlene Einzelhandelspreis, abzüglich der anwendbaren Vertragshändler-Vergütung, die gemäß Art. 8 des Vertrags mitgeteilt worden ist.

Mit Rundschreien vom 16.12.2019 (Anlage K4, Bl. 167ff. d.A und Anlage B3, Bl. 368f. d.A.) teilte die Beklagte unter der Überschrift "Das X Vergütungssystem für Neuwagen 2020" den Vertragshändlern Informationen zu dem ab Anfang 2020 gültigen Bonussystem mit. Das Schreiben legte Umfang und Voraussetzungen für Bonuszahlungen fest.

Unter dem 19.12.2019 gab die Beklagte mittels einer Mitteilung unter der Überschrift "Grundmarge ab dem 1.1.2020" die Grundmargen bekannt (Anlage K6, Bl. 184ff. d.A. = Anlage B1, Bl. 364ff. d.A.), die in ihrer Höhe den Grundmargen entsprachen, zu denen sich die Beklagte bereits in der Verpflichtungserklärung (Anlage K5) verpflichtet hatte. In dieser Mitteilung heißt es: "Veröffentlichungszeitraum: 19.12.2019 - Bis auf Widerruf".

Der streitgegenständliche Händlervertrag (Anlage K2) wurde von der Beklagten im Mai 2021 zum 31.5.2023 flächendeckend ordentlich gekündigt, es werden derzeit mögliche Folgeverträge verhandelt.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte, die aus der maßgeblichen Händlersicht ohne Wettbewerber und daher marktstark sei, handele kartellrechtswidrig, da sie das früher vertraglich geregelte Vergütungssystem in ein einseitiges jährliches Rundschreiben ausgelagert habe. Die Beklagte behalte sich damit das Recht vor, die Vergütung kurzfristig und ohne die Voraussetzungen einer Änderungskündigung einseitig zu ändern. Dies widerspreche den berechtigten Interessen der Händler, Kalkulations- und Planungssicherheit zu erhalten und die ihnen vertraglich vorgeschriebenen erheblichen Investitionen kompensieren zu können.

Zudem könne die Beklagte nicht rund 40% der Vergütung als freiwillige Bonuszahlung deklarieren, die von ihr jederzeit abänderbar seien. Die einzelnen Voraussetzungen für die Erreichung der Boni seien zudem rechtswidrig, treuwidrig und verlagerten verschiedene Risiken einseitig von der Beklagten als Herstellerin der Fahrzeuge auf die Vertragshändler.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie sei nicht Adressat...

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