Entscheidungsstichwort (Thema)

Deliktische Haftung des Motorherstellers im Abgasskandal - Ersatz des Minderwertes (sog. kleiner Schadensersatz).

 

Leitsatz (amtlich)

Kein deliktischer Anspruch gegen den Motorhersteller auf Zahlung des behaupteten Minderwertes (sog. kleiner Schadensersatz), wenn der Käufer behauptet, er hätte bei Kenntnis der Abschalteinrichtung den Kaufvertrag mit dem Händler nicht geschlossen.

 

Normenkette

BGB §§ 31, 249, 826; StGB § 263; VO 715/2007/EG; RL 70/220/EWG

 

Verfahrensgang

LG Gießen (Urteil vom 10.05.2019; Aktenzeichen 2 O 509/18)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Die Berufung des Klägers gegen das am 10.05.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Gießen wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10.05.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Gießen teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger hat nach dem Kauf eines Gebrauchtwagens die Beklagte als Motorherstellerin auf Leistung von kleinem Schadensersatz und Feststellung im Zusammenhang mit dem Diesel-Abgasskandal in Anspruch genommen.

Der Kläger erwarb von dem Skoda Regionalhändler X GmbH in Stadt1 gemäß verbindlicher Bestellung vom 20.06.2015 einen gebrauchten Skoda Superb 2,0 TDI Elegance mit einem Kilometerstand von 49.950 km (EZ 7/2013) zum Preis von 22.690,00 EUR (Anlage K 1 = Bl. 42 d.A.). Herstellerin des Fahrzeugs war die Skoda Auto a.s.

Das Fahrzeug war mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet. Die Motorsteuerung des Motors war ursprünglich so programmiert, dass im Falle des Durchlaufens des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ), welcher Teil des Typgenehmigungsverfahrens ist, die Abgasrückführung in einen NOx-optimierten Betriebsmodus (Modus 1) versetzt wird, während sie außerhalb des NEFZ im Straßenverkehr im nicht NOx-optimierten Betriebsmodus (Modus 0) operiert. Im Modus 0 ist die Abgasrückführungsrate geringer.

Das Kraftfahrbundesamt (KBA) hat mit Bescheid vom 15.10.2015 einen verpflichtenden Rückruf für sämtliche betroffene Fahrzeuge mit diesem Dieselmotor und zur Entfernung der Abschalteinrichtung angeordnet. Gleichzeitig hatte es in einer Presseerklärung öffentlich gemacht, dass es sich seiner Auffassung nach bei der verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele und der Beklagten auferlegt worden sei, geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit der betroffenen Fahrzeuge zu ergreifen (Anlage K 5 = Bl. 48 d.A.).

Bereits im September 2015 hatte die Beklagte eine Ad-hoc-Mitteilung gemäß § 15 WpHG veröffentlicht, in der sie auf Unregelmäßigkeiten der verwendeten Software hingewiesen hatte. Ferner hatte sie im Rahmen einer Presseerklärung vom selben Tag die Öffentlichkeit darüber informiert, dass bei Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandwerten und realem Fahrbetrieb festgestellt worden sei.

Die Beklagte hatte in der Folge ein Softwareupdate für die betroffenen Motoren entwickelt, durch das das Abgasrückführungssystem überarbeitet wird, wobei sie über den Fortgang der Maßnahmen mit weiteren Presseerklärungen informierte.

Der Freigabeprozess des KBA begann am 27.01.2016. Auch für den hier betroffenen Fahrzeugtyp gab die für die Fahrzeuge der Marke Skoda zuständige britische Typgenehmigungsbehörde Vehicle Certification Agency (VCA) die zur Beseitigung entwickelte Maßnahme (Software-Update) für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp frei (vgl. Einblendung im Schriftsatz der Beklagten vom 26.03.2019 S. 24 f. = Bl. 132 f. d.A.).

Der Kläger ließ das Software-Update nach Aufforderung durch das KBA aufspielen. In der Folge stellte er einen Kraftstoffmehrverbrauch fest und stellte das Fahrzeug mehrfach in der Werkstatt vor. Nach dem dritten Mal konnte das Problem behoben werden.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 28.11.2018 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihre Schadensersatzpflicht bis 05.12.2018 anzuerkennen (Anlage K 13 = Bl. 68 ff. d.A.).

Der Kläger hat die Zahlung eines in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Schadensersatz von mindestens 5.672,50 EUR (= 25 % des Kaufpreises als merkantiler Minderwert in Form eines Preisabschlags durch den Markt) zzgl. Rechtshängigkeitszinsen, Feststellung der Schadensersatzpflicht hinsichtlich weiterer Schäden sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten von 1.430,38 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen verlangt.

Der Kläger hat behauptet, sein Fahrzeug sei mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet gewesen. Die Organe der Beklagten und nicht nur die Motorentwickler, die wiederholt vor dem Einsatz der Motorsteuerungssoftware gewarnt hätten, hätten von diesen Umständen Kenntnis gehabt. Auch sei nach der Lebenserfahrung nicht vorstellbar, dass der Vorstand der Beklagten von der Entwicklung und dem Einsatz der Manipulationssoftware nicht gewu...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge