Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung von Anleihen in Form von Schuldverschreibungen
Normenkette
BGB §§ 314, 490
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 25.04.2014; Aktenzeichen 2-18 O 429/13) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Frankfurt/M. - 18. Zivilkammer - vom 25.4.2014 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 50.000 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.8.2013 abzgl. am 5.3.2014 gezahlter EUR 2.892 und am 12.3.2014 gezahlter EUR 641,46 zu zahlen gegen Aushändigung von:
- 48 Bonds 5.2285 % X AG ..., Valor ..., ISIN: A und
- 365 Aktien X AG, Valor ..., ISIN: B.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollsteckenden Betrages leistet.
Streitwert für das Berufungsverfahren: EUR 46.466,54
Gründe
I. Die Klägerin begehrt im Wege der Teilklage von der Beklagten Rückzahlung eines Teils des Nennbetrages von Seitens der Beklagten ausgegebenen Anleihen in der Form einer Schuldverschreibung (Schuldverschreibung 2011/2016) sowie Rechtsanwaltskosten, nachdem sie die Anleihen gekündigt hat. Die Klägerin erwarb die streitgegenständlichen Schuldverschreibungen im Nennwert von EUR 202.000 nach Bekanntwerden der Notwendigkeit von Restrukturierungsmaßnahmen zu Beginn des Jahres 2013 zum damaligen Marktpreis i.H.v. 22 % des Nennwertes. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Kündigungen. Unstreitig ist die aufgrund Mehrheitsbeschluss vom 5.8.2013 beschlossene Umsetzung des Sanierungskonzepts mittlerweile durch Vollzug erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils des LG Frankfurt/M., die keiner Änderung oder Ergänzung bedürfen, Bezug genommen.
Das LG Frankfurt/M. hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kapitals, da sie das Vertragsverhältnis nicht wirksam außerordentlich gekündigt habe.
Zu keinem Zeitpunkt habe der Klägerin ein Kündigungsrecht aus § 9 Abs. 1a der Anleihebedingungen zugestanden, da die Beklagte die zum 13. bzw. 15.7.2013 fälligen Zinsforderungen rechtzeitig erfüllt habe. Die Zinszahlung sei auch nicht wegen Anrechnung auf die Tilgung der neuen Anleihen unbeachtlich, da eine solche Anrechnung erst nach wirksamem Vollzug der Umschuldung habe erfolgen können.
Auch eine Kündigung nach § 9 Abs. 1d der Anleihebedingungen komme nicht in Betracht, da weder eine Zahlungseinstellung noch Bekanntgabe der Zahlungsunfähigkeit seitens der Beklagten vorgelegen habe. Die Beklagte habe lediglich Prognosen mitgeteilt, was für die Annahme der Zahlungsunfähigkeit nicht ausreiche. Auch eine faktische Zahlungseinstellung habe nicht vorgelegen, wie die erfolgte Zinszahlung am 9.8.2013 gezeigt habe.
Der Klägerin habe auch kein Kündigungsrecht aus § 9 Abs. 1e der Anleihebedingungen zugestanden. Hierfür hätte die Beklagte eine allgemeine Schuldenregelung zugunsten ihrer Gläubiger anbieten müssen. Dies sei nicht der Fall gewesen, da die Restrukturierung sich nur auf Finanzverbindlichkeiten bezogen habe. Es hätten aber sämtliche Gläubiger einbezogen werden müssen. Bei dem Angebot der Beklagten zur Umstrukturierung habe es sich zudem gerade nicht um ein erforderliches Zwangsverfahren gehandelt.
Die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders sei auf die vorliegenden Anleihebedingungen nicht anwendbar, da die Emittentin durch Nachbildung der §§ 5 ff. SchVG durch die §§ 11 ff. der Anleihebedingungen von den Möglichkeiten des SchVG Gebrauch gemacht habe und kein Raum mehr für eine AGB-rechtliche Kontrolle bleibe. Es sei mit dem Sinn und Zweck des SchVG nicht vereinbar, wenn durch eine AGB-rechtliche Kontrolle die Regelungen des SchVG unterlaufen werden könnten. Auch bei Anwendbarkeit der AGB-rechtlichen Vorschriften ergebe sich zudem kein anderes Ergebnis, da unter Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein eindeutiges Auslegungsergebnis zu erzielen sei.
Ein Kündigungsrecht nach §§ 314, 490 BGB scheide aus, da diese Bestimmungen auf die streitgegenständlichen Anleihen nicht anwendbar seien. Zudem handele es sich bei Inhaberschuldverschreibungen nicht um Dauerschuldverhältnisse. Es bestehe auch kein vergleichbares Bedürfnis, sich aus wichtigem Grund vom Vertrag lösen zu können. Denn dem Inhaber stehe es frei, seine Schuldverschreibung an der Börse zum Marktpreis zu veräußern. So habe auch die Klägerin die streitgegenständlichen Anleihen zum Marktpreis von 22 % des Ne...