Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bedeutung von "Tagessaldo" und "Sollstand" bei Berechnung der Frist nach §§ 131 I Nr. 1, 139 I InsO
2. Wird der Buchungsschnitt erst im Laufe des Tages vorgenommen und so auch erst im Laufe des Tages zu einem ungeklärten Zeitpunkt der Tagessaldo eines Tages gebildet - nicht aber erst um 0 Uhr am Anfang des Tages - und ist die rückwirkende Bildung eines Tagessaldos nicht mehr möglich, gilt der Tagessaldo des Vortages bis zur Bildung des neuen Tagessaldos weiter.
Normenkette
InsO §§ 131, 139, 143
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 22.09.2009; Aktenzeichen 2-25 O 77/08) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Frankfurt/M. vom 22.9.2009 - 2-25 O 77/08, abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.967,17 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 2.5.2007 sowie weitere 755,80 EUR seit dem 9.7.2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger, der mit Beschluss des AG Köln vom 1.5.2007 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der "A GmbH & Co KG" bestellt worden ist, macht mit seiner Klage einen Zahlungsanspruch gegen die beklagte Bank unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung geltend.
Wegen des Sachverhalts und des streitigen Vortrags der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 140 ff. d.A.) verwiesen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Dem Kläger stünden keine insolvenzrechtlichen Ansprüche gegen die Beklagte zu, weil die angefochtene Handlung nicht im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorgenommen worden sei. Der für die Berechnung der in § 131 InsO bestimmten Frist maßgebende § 139 Abs. 1 InsO bestimme, dass die Frist mit dem Anfang des Tages beginne, der durch die Zahl dem Tag entspreche, an dem der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Insolvenzgericht eingegangen sei. Folglich sei maßgebend der Saldo, der am 12.1.2007 beginnend um 0.00 Uhr und endend um 0.00 Uhr gebildet werde. Dafür spreche, dass dem am 12.1.2007 zum Buchungsschnitt vorausgegangenen Verbuchungen bereits Zahlungen und Überweisungseingänge des Vortags vorausgegangen seien, die die Beklagte innerhalb eines Tages gutzuschreiben habe, weshalb die nach dem Buchungsschnitt am 11.1.2007 angefallenen Buchungsbelege erst am folgenden Werktag verbucht würden, so dass die Insolvenzschuldnerin bereits nach dem Buchungsschnitt am 11.1.2007 Ansprüche aus diesen Gutschriften gehabt habe, obwohl diese erst im Laufe des Folgetages im Tagessaldo erschienen seien. Außerdem spreche der Umstand, dass lediglich der Tagessaldo eine i.S.v. § 829 Abs. 1 ZPO pfändbare Geldforderung darstelle und einzelne, in das Kontokorrent aufgenommene Zahlungsforderungen nicht selbständig geltend gemacht und gepfändet werden könnten, dafür, dass diesen wegen der Kontokorrentgebundenheit auch im Rahmen der Insolvenzanfechtung keine selbständige Bedeutung zukomme. Ein Abstellen auf den Tagessaldo vom 11.1.2007 bedeute zudem eine ungerechtfertigte Ausdehnung des Anwendungsbereichs der §§ 131 Abs. 1 Nr. 1, 139 Abs. 1 S. 1 InsO.
Da die Beklagte überdies keine Postensalden zu beliebigen Zeitpunkten bilden müsse, habe diese auch keine sekundäre Darlegungslast für den Kontostand am 12.1.2007 um 0.00 Uhr. Zudem lasse sich aus dem Tageskontoauszug erkennen, welche Gutschriften oder Belastungen sich im Vergleich zum Vortrag ergeben hätten, so dass es dem Kläger möglich und zumutbar sei, nachzuprüfen und darzulegen, an welchem Tag Gutschriften eingegangen und wann diese auf dem Konto verbucht worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 144 ff. d.A.) Bezug genommen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Zahlungsantrag in vollem Umfang weiter. Er rügt, die fehlerhafte Rechtsanwendung durch das LG zeige sich bereits darin, dass seiner Auffassung nach maßgebend der Saldo sei, der am 12.1.2007 beginnend um 0.00 Uhr und endend um 0.00 Uhr gebildet werde, der zugrunde gelegte Buchungsschnitt jedoch irgendwann tagsüber erfolge. Maßgebend sei aber gemäß der Regelung des § 139 Abs. 1 InsO der Kontostand am 12.1.2007, 0.00 Uhr, der - 14.976,17 EUR betragen habe. Da der Saldo am 12.2.2007 773,74 EUR betragen habe, führe das nach der ständigen Rechtsprechung des BGH unter Ausblendung zwischenzeitlicher Schwankungen durch Ein- und Auszahlungen zu einem Auszahlungsanspruch gegen die Beklagte. Der sog. Buchungsschnitt sei dagegen als Zeitpunkt nicht maßgeblich. Da d...