Leitsatz (amtlich)

1. Das versicherte Risiko des Schneedrucks ist verwirklicht, wenn fest steht, dass das Gewicht des auf dem Dach lastenden Schnees am Einsturz des Daches mitgewirkt hat. Ob das Dach theoretisch nicht mehr standsicher war und jederzeit auch ohne den zusätzlichen Schneedruck hätte einstürzen können, stellt die Mitursächlichkeit demgegenüber nicht in Frage.

2. Ist in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Elementarschäden bestimmt, dass der Versicherer die in Folge des Versicherungsfalls notwendigen Aufwendungen ersetzt, dann wird damit verdeutlicht, dass der Versicherungsnehmer Ersatz erst und nur dann erhält, wenn er tatsächlich Aufwand gehabt hat, also Aufräumungs- und Abbruchmaßnahmen tatsächlich durchgeführt hat bzw. insoweit Verbindlichkeiten eingegangen ist. Auf der Grundlage eines bloßen Kostenvoranschlag kann die Leistung danach nicht beansprucht werden.

 

Normenkette

VVG

 

Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Urteil vom 13.05.2009)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des LG Wiesbaden vom 13.5.2009 abgeändert.

Auf den Hilfsantrag wird festgestellt, dass die Beklagte für das Schadenereignis vom ...2006 Versicherungsschutz zu gewähren hat.

Im Übrigen wird die Berufung unter Abweisung des Hauptantrags zurückgewiesen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 1/5, die Beklagte 4/5 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Für das Anwesen des Klägers besteht eine "landwirtschaftliche Betriebsversicherung", die auch das Risiko Schneedruck, d.h. die Wirkung des Gewichts von Schnee- oder Eismassen, abdeckt.

Das Dach eines der versicherten Gebäude, einer Halle, ist am 18.1.2006 eingestürzt. Das Dach war an diesem Tag schneebedeckt, wobei die Schneehöhe 15-25 cm betragen haben soll.

Der Kläger hat mit der Klage Aufräumungskosten, die zur Beseitigung der Reste des Dachs aufgewendet werden sollen, im Betrag von 14.800 EUR gemäß dem Angebot der Fa ... X GmbH verlangt.

Im Auftrag der Beklagten hat der Sachverständige Dr.-Ing. SV1 das Dach begutachtet und festgestellt, dass es falsch gebaut war und deshalb jederzeit unter seinem eigenen Gewicht einstürzen konnte. Die Beklagte meint deshalb, dass der Schnee für den Einsturz der Halle nicht ursächlich gewesen sei.

Das LG hat den Sachverständigen Dr.-Ing. SV1 als sachverständigen Zeugen vernommen und ein Gutachten des Bausachverständigen SV2 eingeholt. Der gerichtliche Sachverständige hat die Feststellungen des Sachverständigen Dr.-Ing. SV1 bestätigt und ausgeführt, dass ein Einsturz auch ohne Schnee jederzeit nur aufgrund des Eigengewichts der Konstruktion möglich gewesen wäre. Der Schnee sei keine notwendige Ursache gewesen. Man könne nicht nachvollziehen, warum die Halle 30 Jahre gehalten habe und dann erst eingestürzt sei. In der Einzelsituation sei die Last "ein Quäntchen zu viel" gewesen. Der Schnee stelle eine Last dar. Die Schneeeinwirkung sei für den Einsturz nicht nötig gewesen, habe aber in der konkreten Situation Kräfte entfaltet.

Daraufhin hat das LG die Klage abgewiesen, weil der Versicherungsfall Schneedruck nicht bewiesen sei. Der Kläger habe den Nachweis, dass das Dach mit durch die Schneelast als notwendiger Ursache und nicht oder nicht allein durch bauliche Mängel eingestürzt sei, nicht erbracht. Bei ordnungsgemäßer Ausführung habe das Dach die Schneelast tragen können. Umgekehrt könne nicht festgestellt werden, dass sich die vorhandene Schneelast notwendigerweise konkret ausgewirkt habe. Auch wenn der Schnee Kräfte entfaltet habe, könne die Notwendigkeit dieser möglichen Mitursache nicht festgestellt werden. Die Schneelast stelle keine äquivalente Ursache dar, denn sie könne hinweggedacht werden, ohne dass das Ereignis entfalle. Dass das Dach 30 Jahre gehalten habe und erst jetzt eingestürzt sei, beruhe darauf, dass sich im Laufe der Jahrzehnte die Nagelanschlüsse in den Dachbindern und in den Querverbänden (Verschwertungen) durch Kriechen und hin und wieder durch Überbeanspruchung etwas gelockert hätten.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der geltend macht, dass nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen davon auszugehen sei, dass die Schneelast den Einsturz des Dachs mitverursacht habe. Es handle sich deshalb um eine adäquate Schadensursache. Der Kläger vertritt die Auffassung, dass der Grundsatz der abstrakten Schadenberechnung auch für Aufräumungs- und Abbruchkosten gelte. Es handle sich bei den Abbruchkosten auch um Bestandteile der Wiederherstellungskosten, weil die Scheune nicht wieder aufgebaut werden könne, ohne dass die Reste zunächst abgebrochen würden.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des LG Wiesbaden vom 13.5.2009 - 1 O 293/06 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 14.800 EUR nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.6.2006 zu zahlen, hilfsweise, es wird festgestellt, dass die Beklagte für das Schadenereignis vom ...2006 ...

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