Leitsatz (amtlich)

Zur Vervielfältigung beim Cloud-Computing

 

Normenkette

UrhG §§ 69a, 69c

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.02.2018; Aktenzeichen 2-06 O 290/17)

 

Tenor

Ein Rechtsmittel ist nicht bekannt geworden.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt a.M. vom 21.2.2018, 2-06 O 290/17, wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt Unterlassung der Nutzung eines Computerprogramms durch die Beklagte sowie die Erstattung von Abmahnkosten.

Die Klägerin ist ein IT-Unternehmen. Sie bietet u.a. ein Software-gestütztes integriertes Abrechnungs- und Controlling-System für Tankstellen mit der Bezeichnung "edtas" (auch als "EKW-System" bezeichnet) an. Die 2015 eingeführte aktuelle Version dieses Programms wird nicht mehr lokal beim Anwender installiert, sondern ist als Web-Anwendung ausschließlich online per Internet zugänglich.

Die Beklagte ist eine Steuerberatungsgesellschaft mit Sitz in Stadt1. Sie berät unter anderem Tankstellenunternehmer und benutzt hierzu das System "edtas". Zwischen den Parteien bestehen keine unmittelbaren Vertragsbeziehungen; die Beklagte meint aber, aufgrund eines Vereinbarung der Klägerin mit einer Schwestergesellschaft der Beklagten (im Folgenden: X Stadt3) zur Nutzung berechtigt zu sein. Durch diese vom 17.3.2003 datierende Vereinbarung (Anl. KE 1) hatte die Klägerin der X Stadt3 eine unbefristete und unentgeltliche Lizenz für das EKW-System erteilt. Die Klägerin hat diese Vereinbarung in der Folgezeit fristlos gekündigt; die Wirksamkeit der Kündigung ist Gegenstand eines seit 2005 beim Landgericht Stadt2 anhängigen Rechtsstreits zwischen der Klägerin und der X Stadt3.

Wegen des Sachverhaltes im Einzelnen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, vorliegend liege keine Verletzungshandlung i.S.d. § 69c UrhG vor. Denn im Gegensatz zu der Entscheidung des BGH vom 3.2.3011, I ZR 129/08 - Used Soft - erfolge hier kein Hochladen des Computerprogramms in den Arbeitsspeicher weiterer Computer und schon gar nicht in solche der Beklagten, sondern alle Programmabläufe fänden in den Arbeitsspeichern der Servicecomputer der Klägerin statt. Auf die Computer und Bildschirme der Beklagten würden lediglich die Ergebnisse der Datenverarbeitung des Servercomputers der Klägerin übertragen.

Die vom BGH vorgenommene Auslegung zustimmungsbedürftiger Handlungen nach §69c Nr. 1 UrhG bedürfe auch keiner Ergänzung infolge neuerer technischer Entwicklungen. Es bestehe kein Bedürfnis, die entwickelten Grundsätze auf Nutzungshandlungen zu übertragen, die auf den Computern des Urheberrechtsinhabers stattfänden, weil dieser faktisch den von ihm selbst gewährten Zugriff jederzeit entziehen könne. Letztendlich handele es sich dabei um eine Nutzungshandlung, die der Urheberrechtsinhaber selbst vornehme, wenn auch automatisiert durch die technischen Abläufe seines Rechenzentrums und ausgelöst durch den Zugriff Dritter aus dem Internet.

Eine rechtswidrige Vervielfältigung könne allenfalls hinsichtlich der Ergebnisse der Datenverarbeitung in Betracht kommen - sofern diese als solche urheberrechtlich schutzfähig seien -, wenn diese von der Beklagten ausgedruckt oder auf Datenträgern körperlich festgelegt würden. Derartige Verbote seien allerdings nicht vom Klageantrag erfasst.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Klageanträge in vollem Umfang weiter. Sie trägt ergänzend zur Schutzfähigkeit des gegenständlichen Programms vor.

Im Übrigen ist sie der Auffassung, dass eine "vorübergehende Vervielfältigung" i.S.d. § 69c Nr. 1 UrhG nicht voraussetze, dass die Vervielfältigung auf dem Computer eines Dritten erfolge. Ausreichend sei, dass das Computerprogramm auf Veranlassung der Beklagten in den Arbeitsspeicher der Server im Rechenzentrum der Klägerin geladen werde. Mit Blick auf den effet utile der Richtlinie 91/250/EWG könne es keinen Unterschied machen, in wessen Eigentum oder an welchem Ort sich der Rechner befindet, in dessen Arbeitsspeicher hinein der Nutzer das Laden des Computerprogramms veranlasse. Der Zugriff und damit das Laden in den Arbeitsspeicher durch die Beklagte könne entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht der Klägerin zugerechnet werden.

Die Auslegung und Anwendung des § 69c Nr. 1 UrhG anhand der Frage, wer die Vervielfältigung veranlasst habe, sei auch unter Berücksichtigung der Schrankenbestimmung des § 69d UrhG systematisch stimmig. Die Vervie...

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