Leitsatz (amtlich)

Mit der Ausgabe sog. "Family-Taler" für den Erwerb von verschreibungspflichtigen, preisgebundenen Arzneimitteln verstößt ein Apotheker gegen die ArzneimittelpreisVO, wenn der Kunde dafür im Rahmen eines Prämiensystems einen geldwerten Vorteil erhält.

 

Normenkette

AMPreisV §§ 1, 3; UWG §§ 3, 4 Nr. 11

 

Verfahrensgang

LG Hanau (Urteil vom 31.08.2004; Aktenzeichen 6 O 68/04)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 31.8.2004 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Hanau wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Unterlassungsausspruch in dem Teil nach der Androhung der Ordnungsmittel wie folgt gefasst wird:

"... zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ("Family"-)Taler, die wie aus Anlage K 1 ersichtlich gegen Prämien eingelöst werden können, für den Erwerb von verschreibungspflichtigen preisgebundenen Arzneimitteln zu gewähren ...".

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 20.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin, die A, nimmt den Beklagten auf Unterlassung und Auslagenerstattung in Anspruch, weil er als Apotheker gegen Preisregelungen nach der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) verstoßen und damit wettbewerbwidrig gehandelt habe.

Der Beklagte gibt in seiner Apotheke sog. "Family-Taler" aus. Über die Voraussetzungen für deren Erwerb und die bei ihrer Einlösung erhältlichen Prämien informiert der als Anlage K 1 vorgelegte Prospekt "Family-Taler" (Bl. 54 f. d.A.).

Danach werden ein oder mehrere Taler ausgefolgt, wenn ein Kunde Geburtstag hat und über eine Kundenkarte verfügt, wenn er mit dem Bus gekommen ist und den Fahrschein vorlegt (ab 7 EUR Einkauf), wenn er im Parkhaus geparkt hat und die Quittung vorlegt (ab 7 EUR Einkauf) und wenn er noch einmal kommen muss, weil das Gewünschte nicht vorrätig ist. Außerdem gibt es pro 10 EUR Einkauf einen Taler, wenn der Kunde Ware aus dem Selbstbedienungssortiment kauft. Hierzu heißt es in einem Sternchenhinweis: "Bei Kauf von Arzneimitteln, die der Arzneimittel-Preisverordnung unterliegen, dürfen aus gesetzlichen Gründen keine Taler gewährt werden."

Nach dem Prospekt kann der Kunde "Family-Taler" gegen Prämien einlösen, wobei der Beklagte selbst - für einen oder mehrere (bis zu 45) Taler - eine Auswahl unter mehr als 40 Gegenständen des Alltagsbedarfs anbietet. Der Kunde kann die Taler auch bei sechs Kooperationspartnern (einer Kfz.-Werkstatt, einem Blumenladen, einem Sportgeschäft, einem Kopiercenter, einem Elektrogeschäft und einer Kaffeebar) eintauschen, die insgesamt 18 Angebote bereithalten, die vom Radwechsel bis zu einer Tasse Kaffee reichen.

Die Klägerin hat behauptet, die Kunden B. und C. hätten in der Apotheke des Beklagten am 22.1.2004 bzw. am 29.1.2004 beim Erwerb preisgebundener verschreibungspflichtiger Arzneimittel jeweils einen "Family-Taler" erhalten. Ein weiterer Einkauf der Kundin B. am 21.1.2004, bei dem ihr unstreitig ein Taler ausgehändigt wurde, umfasste neben verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auch andere Produkte. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Aushändigung eines "Family-Talers", der gegen Prämien eingelöst werden kann, bei der Einlösung eines Rezepts bzw. bei dem Kauf eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels einen Verstoß gegen § 1 UWG (a.F.) i.V.m. der AMPreisV darstelle.

Der Beklagte hat die Aushändigung eines "Family-Talers" an die Kunden B. und C. am 22.1. bzw. 29.1.2004 mit Nichtwissen bestritten und hierzu vorgetragen, seine Mitarbeiter hätten diese beiden Vorgänge nicht positiv bestätigt. Im Übrigen hat der Beklagte - abweichend von dem Sternchenhinweis im Prospekt (Anlage K 1) - die Ansicht vertreten, auch bei der Einlösung eines Rezepts für preisgebundene Arzneimittel sei die Hingabe eines "Family-Talers" zulässig.

Gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO wird im Übrigen auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. 91 ff. d.A.) Bezug genommen.

Das LG hat den Beklagten gem. dem zuletzt gestellten Klageantrag verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ("Family-")Taler, die gegen Prämien eingelöst werden können, bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen preisgebundenen Arzneimitteln zu gewähren, und an die Klägerin 189 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.5.2004 zu zahlen.

Zur Begründung hat das LG ausgeführt, dass der Beklagte durch das beanstandete Verhalten, für das jedenfalls eine Erstbegehungsgefahr bestehe, die vorgeschriebene Preisbindung unterlaufe. Bei einem "Family-Taler" handele es sich ni...

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