Entscheidungsstichwort (Thema)
Altvertrag über eine Lebensversicherung im sog. Policenmodell: Ordnungsgemäßheit einer Widerspruchsbelehrung bei mehreren Belehrungen; Informationspflicht über die Nichtzugehörigkeit zu einer Sicherungseinrichtung
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn eine von mehreren Widerspruchsbelehrungen insgesamt ordnungsgemäß war, kommt es darauf an, ob der Versicherungsnehmer durch eine weitere - formal oder inhaltlich nicht ordnungsgemäße - Belehrung irregeführt oder von einem rechtzeitigen Widerspruch abgehalten wird (vgl. BGH, 16. Dezember 2015, IV ZR 71/14). (Rn. 49)
2. Ein Versicherer, der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages keinem deutschen Sicherungsfonds und auch keiner ausländischen Sicherungseinrichtung angehört, ist nicht verpflichtet, den Versicherungsnehmer über die Nichtzugehörigkeit zu informieren. (Rn. 57)
Normenkette
VAG § 10a Abs. 1 S. 1 Fassung: 1994-07-29; VVG § 5a Abs. 2 S. 1 Fassung: 1994-07-29
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 08.05.2020; Aktenzeichen 4 O 24/19) |
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 08.05.2020 wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
Das angefochtene und das Berufungsurteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 110 % des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit in Höhe von 110 % des Betrages leistet, dessen Vollstreckung sie betreibt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger sind Erben zu je 1/2 nach ihrem Ehemann/Vater Dr. ..., verstorben am 12.09.2016 (Erblasser). Sie machen mit vorliegender Klage gegenüber der Beklagten Bereicherungsansprüche in Höhe von 125.000,- EUR, hilfsweise Auskunft im Wege der Stufenklage, nach Widerruf eines Lebensversicherungsvertrages geltend.
Zwischen dem Erblasser und der Beklagten - früher firmierend als ... bestand ein Lebensversicherungsvertrag vom 20.12.2006 (Bl. 21 ff. d. A.). Am 01.01.2021 sollte der Vertrag zur Auszahlung gelangen.
Im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss erhielt der Erblasser unterschiedliche Widerspruchsbelehrungen zugesandt bzw. vorgelegt (Antragsformular S. 5, Anlage K1, Bl. 21 d.A.; Übersendungsschreiben vom 05.02.2007, Anlage K3, Bl. 25 d.A.; Deckblatt der "Verbraucherinformation und Versicherungsbedingungen", Anlage B4, Anlagenband; auf diese wird jeweils Bezug genommen).
Mit Schreiben vom 23.11.2012 (Anlage B5, Anlagenband) kündigte der Erblasser den streitbefangenen Vertrag erstmals; die Beklagte wies diese Kündigung mit Schreiben vom 17.12.2012 (Anlage B 6, Anlagenband) zurück vordem Hintergrund, dass der Erblasser zu diesem Zeitpunkt sämtliche Ansprüche aus dem streitbefangenen Vertrag abgetreten hatte.
Ab November 2012 leistete der Erblasser keinerlei Zahlungen mehr auf den streitgegenständlichen Versicherungsvertrag und kündigte mit Schreiben vom 30.01.2014 (Anlage B 7, Anlagenband) erneut. Die Beklagte rechnete daraufhin mit Schreiben vom 24.03.2014 (Anlage B 8, Anlagenband) den Vertrag ab und zahlte den Rückgabewert in Höhe von 91.029,59 EUR an die ... - die damalige Rechtsinhaberin - aus.
Nach dem Tod des Erblassers und ca. 3 1/2 Jahre nach der Vertragsabwicklung schließlich erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten am 03.07.2017 (Anlage K5, Bl. 28 ff. d.A.) den Widerspruch gegen den Vertrag vom 20.12.2006 mit der Begründung, der Erblasser sei vor bzw. bei Abschluss dieses Vertrages nicht ordnungsgemäß bzw. ausreichend über sein Widerrufsrecht belehrt worden.
Die Kläger begehren als Erben des Versicherungsnehmers Rückzahlung eingezahlter Beträge nebst Nutzungsentschädigung abzüglich erhaltener Leistungen. Sie gehen dabei von einem Anspruch von 155.596,57 EUR aus, machen vorliegend aber im Wege der Teilklage davon nur 125.000,- EUR geltend. Wegen der Berechnung wird auf die Ausführungen in der Klageschrift (Bl. 7 ff. d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte hält den Widerspruch der Kläger gegen den streitbefangenen Vertrag für verfristet, da die Belehrung des Erblassers ausreichend und ordnungsgemäß erfolgt sei. Zudem sei das Verhalten der Kläger widersprüchlich und treuwidrig, da der Vertrag seitens des Erblassers zur Kreditsicherung eingesetzt worden sei. Der Erblasser selbst habe demzufolge die Wirksamkeit des streitbefangenen Vertrages für seine Zwecke genutzt und hierdurch einen Vertrauenstatbestand gesetzt. Zudem sei der Vertrag durch Kündigung endgültig beendet worden. Spätestens 10 Jahre nach Vertragsschluss sei der streitbefangene Vertrag zudem aus Gründen der Rechtssicherheit als bestandskräftig anzusehen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, etwaige Ansprüche seien verwirkt. Wegen der Einzelheiten wird auf das landgerichtliche Urteil (Bl. 233 ff. d.A.) Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolg...